Adams im Armani

Der Sinn Féin-Vorsitzende spielt schon mal Staatsmann. Dabei ist der Frieden in Nordirland noch längst nicht sicher

Zwei Wochen vor der ersten nordirischen Parlamentswahl seit 26 Jahren schweigen die Waffen, während die Politiker sich bemühen, die gewünschten politischen Veränderungen umzusetzen. Am heutigen Mittwoch wird die britische Regierung in Westminister den Northern Ireland (Sentences) Bill in erster Lesung beraten. Der Gesetzesentwurf sieht innerhalb der kommenden zwei Jahre die Freilassung von mehr als 400 politischen Gefangenen vor. So die Häftlinge keiner jener paramilitärischen Gruppen angehören, die den "Terrorismus unterstützen", sondern zu einer, die den "totalen und eindeutigen Waffenstillstand" verkündet hat.

Bis Ende des Monats sind die beiden Regierungen in London und Dublin außerdem verpflichtet, ein Konzept für die Entwaffnung auszuarbeiten. Das Karfreitagsabkommen von Belfast sieht nämlich vor, daß Mitgliedern katholischer wie protestantischer Untergrundorganisationen, die ihre Waffen abgeben, keine Strafverfolgung droht. Die Schießeisen sollen auch nicht polizeitechnisch untersucht werden. Zur Abrüstung sind die Gruppen jedoch nicht verpflichtet, bevor ihre politischen Parteien an der Regierungsbildung teilnehmen. Die katholische Irish Republican Army (IRA) sowie die protestantischen Ulster Defence Association (UDA) und Ulster Volunteer Force (UVF) werden damit legalisiert, ohne eine einzige Waffe abgeben zu müssen.

So betont die IRA, daß sie die Vereinbarung nicht unterschrieben hat, also einer Entwaffnung keinesfalls zugestimmt habe. Das Räumen von Waffenlagern sei folglich eine freiwillige Handlung, über die allein die IRA entscheide. Denn die Republikanische Armee verlangt zuvor eine Abrüstung der britischen Armee in Nordirland sowie der Royal Ulster Constabulary (RUC), der nordirischen Polizeieinheiten. Das Vertragswerk vom Karfreitag überläßt den Abbau der Militärpräsenz aber dem Ermessen der britischen Regierung, eine Expertenkommission soll bis zum Sommer 1999 lediglich Empfehlungen für eine Reform der RUC ausarbeiten. Verantwortlich für den Umbau der zu neun Zehnteln protestantisch-dominierten Polizei, soll der konservative Politiker und letzte britische Gouverneur Hongkongs, Chris Patten, sein.

Die Unionisten erwarten dagegen, daß in der bevorstehenden britischen Gesetzgebung die Waffenabgabe mit der Teilnahme an der nordirischen Regierung gekoppelt wird. So ist David Trimble, der nach der Parlamentswahl vom 25. Juni als Vorsitzender der mutmaßlich stärksten Partei Ulster Unionist Party (UUP) automatisch zum Premierminister ernannt würde, zur Zusammenarbeit mit Sinn Féin nur bereit, wenn die IRA ihren Krieg für beendet erklärt und mit der Entwaffnung beginnt. Der Sinn-Féin-Vorsitzende Gerry Adams will von Vorbedingungen für den Zugang zum Parlament aber gar nichts hören und verlangt außerdem, in diesem Jahr die Märsche des protestantischen Oranier-Ordens durch katholische Viertel zu verbieten, da diese in der Vergangenheit wiederholt Unruhen hervorriefen. Auch Danny Morrison, der als führender Sinn-Féin-Stratege 1981 die Taktik von der Wahlurne in der einen und dem Maschinengewehr in der anderen Hand formulierte, verkündete, die IRA werde nicht einmal den Rost von vergrabenen Waffen abliefern. Der Kompromißvorschlag des kanadischen Generals John de Chastelain, der als Vorsitzender einer internationalen Kommission die Entwaffnung beaufsichtigen soll, die Abgabe müsse ja nicht öffentlich geschehen, scheint daher wenig Erfolg versprechend.

Denn die aktuelle Situation in Nordirland ist der weltweiten Berichterstattung über die Volksabstimmung zum Trotz nicht friedlich: So wurden gepanzerte Fahrzeuge der nordirischen Polizei, die Wahlurnen aus katholischen Stadtvierteln abholten, mit Steinen und Molotow-Cocktails angegriffen. In diesen Gegenden beherrschen paramilitärische Gruppen seit dreißig Jahren das Geschehen, die RUC kann sich hier meist nur mit Unterstützung der Armee vorwagen. Auch wenn sich die britische Regierung zu Verhandlungen mit der IRA bereit erklärte, sehen viele protestantische Unionisten daher die IRA wie einen schwerbewaffneten Geier im Hintergrund des Friedensprozesses wartend, während Adams als vermeintlicher Friedensstifter hohe Spendenbeträge bei der irischen Diaspora in den USA eintreibt.

Für die US-amerikanische Zeitschrift Vanity Fair ist Adams "der irische Schwarze Panther". Als Adams in der letzten Maiwoche New York besuchte, wurde er, wie 19 Jahre vor ihm Yassir Arafat, als rehabilitierter Terrorist besonders herzlich begrüßt. "Wenn Leonard Bernstein das alles nur sehen könnte - Gerry Adams in einem bei Macy's gekauften Armani-Anzug und mit den High Society-Frauen hinter ihm her", schrieb die New York Times erfreut. "Der verstorbene Dirigent hätte die 'Radical-Chic'-Transformierung des Sinn Féin-Führers diese Woche in New York wirklich geschätzt." Adams Terminplan sah entsprechend aus: Ein Treffen mit den Chefredakteuren von New York Times und Newsday, ein Abendessen im Penthouse des World Trade Centers ein Besuch der Börse an der Wall Street und schließlich eine Einladung zu Tee und Kuchen bei US-Präsident William Clinton. Limousine und Smoking gehörten da natürlich zur Tagesordnung. Schließlich will Adams der Welt beweisen, daß er und seine Partei Nordirland ganz staatsmännisch vertreten können - sei es bei knallharten politischen Verhandlungen oder als respektabler Partner der Wirtschaft.