Leopardenfell und Glitzer-BHs

Der Berliner Fußballverein Tennis Borussia versucht, sich mit Showprogrammen als ausländerfreundlicher Familienclub zu etablieren - und schwelgt in Stereotypen

Wer ihre Gegner kennenlernt, dem ist der Fußballverein Tennis Borussia Berlin schon auf Anhieb sympathisch: Kurz vor dem ersten Relegationsspiel zur Zweiten Bundesliga gegen Hannover 96 am Mittwoch letzter Woche liefen Fans vom 1. FC Union Berlin durch die TeBe-Fankurve und riefen nicht nur "TeBe ist Scheiße", sondern auch "Juden raus!" und "Zyklon B! Zyklon B!"

TeBe hat in Berlin den Ruf, nicht nur ein Club der Künstler, Intellektuellen und Millionäre, sondern auch der Juden zu sein. Im Ligaalltag hat das zur Folge, daß gegnerische Fans nicht nur Nazisprüche, sondern eben auch pseudo-antikapitalistische und strukturell antisemitische Parolen wie "Scheißmillionäre" rufen. Und da sich der Club in letzter Zeit wegen der vielen bei ihm aktiven ausländischen Spielern als "Multikulti-Club" vermarktet, kommen dazu noch ausländerfeindliche Sprechchöre.

Für den Aufstieg in die Zweite Bundesliga haben sowohl Hannover 96 als auch Tennis Borussia viel Geld ausgegeben. Dieser Aufstieg ist eine komplizierte Sache; Hannover 96 steigt auf, TeBe bekommt eine weitere Chance gegen den Vizemeister der Regionalliga West/Südwest und Süd (Offenbach und Siegen). Der Jahresetat von Tennis Borussia beträgt in dieser Saison 14,2 Millionen Mark. Das ist in der Regionalliga, die zumindest offiziell noch eine Amateurliga ist, ein Rekord und immerhin mehr als die Hälfte des geplanten Etats des Erstligaabsteigers Karlsruher SC. Diese Ausgaben lohnen sich aber nur, wenn der Verein tatsächlich aufsteigt - und dafür ist selbst die Meisterschaft keine Garantie.

An Geld mangelt es bei Tennis Borussia also nicht. Kopfschmerzen bereitet ein anderer Bereich: die Fans. Schließlich soll das neu erworbene Image auch in Geld (Fanartikel, Kartenverkauf) umgesetzt werden. Ein Transparent der Hannoveraner Fans beim ersten Aufstiegsspiel: "Spieler kann man kaufen. Fans nicht." Das mag zwar richtig sein, aber es stimmt auch, daß ein Club, der nicht zuletzt durch sein Geld sportlich erfolgreich ist, es einfacher hat, Fans anzuwerben. Und genau das tut TeBe. In Berlin ist das schwer, da es von Regionalligavereinen nur so wimmelt - darunter auch der 1. FC Union und FC Berlin, von Hertha in der Ersten Liga ganz zu schweigen. Wie sticht man gegenüber Vereinen, die zum Teil eine große oder zumindest loyale Fangemeinde haben, hervor? Die Antwort war vor dem Spiel gegen Hannover 96 zu sehen.

Noch vor dem Einlaß fing bereits die Show an, von der sich Tennis Borussia auch in Zukunft viel verspricht. Eine Sambaband spielte vor den Toren, im Stadion gab es ein Sammelsurium aus lokalen Boygroups, einem Turn-Olympiasieger und ein paar Autos, brasilianischen Schönheitsköniginnen und Showtalenten zu bestaunen. Fußballfans mögen sich darüber wundern, die Hannoveraner (und einige Berliner) machten sich darüber lustig, aber der Präsident glaubt, daß diese Show Fans werben wird - und zwar genau die Fans, auf die TeBe zielt: Familien und aus dem Ausland stammende Fußballfans. Eigentlich keine so dumme Überlegung, da die anderen Berliner Vereine nicht gerade den Ruf haben, familien-, geschweige denn ausländerfreundlich zu sein. TeBe wirbt gezielt mit seinem internationalen Team, in dem elf Nationen vertreten sind, die Fans arbeiten mit denen von Türkiyemspor und St. Pauli zusammen. Während der Show durften dann auch Hinweise auf die multikulturelle Natur des Programms nicht fehlen. Wenn man unter "multikulturell" halbnackte Brasilianerinnen in Glitzer-BHs bzw. marokkanische Akrobaten in Leopardenfellkostümen versteht, dann stimmte das auch.

Eine solche Verbreitung von nationalen Stereotypen ist als Werbung sicherlich nicht unwirksam, stellt aber wieder einmal unter Beweis, wie der durchschnittliche deutsche Fußballfunktionär, wie gut er es auch meinen mag, sich die multikulturelle Gesellschaft vorstellt: Jeder wird hübsch in seine nationale Schublade gepackt, die lebenslustige Brasilianerin tanzt Samba, Marokkaner laufen stellvertretend für einen ganzen Kontinent fellbekleidet durch die Gegend, auch wenn es in Marokko eher wenig Leoparden gibt. Hier wird Internationalität nur heraufbeschworen, in Wirklichkeit werden geläufige Vorstellungen von "Exoten" vermittelt. Daß mit dieser Show vor allem Familien und damit auch Kinder geworben werden (sollen), sorgt dafür, daß auch die nächste Generation von Fußballfans ihre Vorurteile bunt verpackt im Stadion serviert bekommt. Gewiß macht dies immer noch eine angenehmere Atmosphäre aus als von Fans umgeben zu sein, die "Ausländer raus" und "Wir sind Deutsche und ihr nicht" rufen, deshalb ist dieser Show-Internationalismus aber noch lange nicht gut.

Das Rahmenprogramm wurde auch von der Presse aufmerksam und weitgehend positiv bewertet. Der Verein rechnet damit, daß solche Darbietungen eine bleibende Attraktion der Heimspiele sein werden, zumindest im Falle des Aufstiegs. Denn auch im amerikanischen Football werden mit Showprogrammen Fans gewonnen, die nicht nur den Sport, sondern auch das schöne Drum und Dran sehen möchten, mit einer solchen Strategie könnte sich Tennis Borussia Berlin auch behaupten. Diese Shows werden aber nur möglich sein, wenn TeBe erfolgreich bleibt; ob das Geld bei noch einem Jahr in der Regionalliga oder bei einem baldigen Wiederabstieg auch für solche Rahmenprogramme reicht, ist unklar. Und deswegen haben die Hannoveraner Fans nicht ganz unrecht: Fans kann man mit zwar Geld anwerben, ob sie aber ohne das Geld und ohne die entsprechenden Programme noch zum Verein halten, ist unwahrscheinlich.