Wie ein Fisch im China-Restaurant

Richard Gere verschlägt es in die letzte rote Ecke der Welt: "Red Corner - Labyrinth ohne Ausweg"

Richard Gere ist in seinem wahrscheinlich letzten Film zu sehen, dann wird der Buddhist nach Tibet auswandern: In "Red Corner - Labyrinth ohne Ausweg" ist er als US-amerikanischer Fernsehunterhändler Jack Moore unterwegs, in der Welt letzter roten Ecke, der Volksrepublik China. Das erste bilaterale Fernsehsatellitenprojekt steht zu verhandeln. Man ist sogar kurz vor dem Abschluß. Und Jack ist erfolgreich, weiß die Geschäftspartner auf seine Seite zu ziehen, bewegt sich in Maos Ex-Truppen wie ein Fisch im Wasser und kann sogar Chinesisch ("chichi" - Danke schön).

Doch Konkurrent Hoffmann aus Deutschland, ein Leo-Kirch-ähnlicher Großmanager, ist immer noch nicht ganz aus dem Rennen. Wie wird der chinesische Intendant entscheiden? Für Programmpaket eins mit "Beverly Hills", "Simpsons", "Married With Children" oder Paket zwei mit Hoffmanns Erzählungen ("Polizeiruf 110", "Vera am Mittag" oder "Musikantenstadl")?

Geprüft wird, was der chinesischen Seele wohltut. Die einen sagen, China müsse sich einschließen und miefig bleiben (deutsche Lösung), die anderen, China müsse sich öffnen und poppig werden (US-amerikanische Lösung). Ansätze gibt es schon, da wäre zum Beispiel die hippe Disco zu nennen, in der "YMCA" von den Village People läuft: Das westliche System bringt Geld, Spaß und Bombenlaune für alle. Aber auch Negatives. Mord, Humbug, Homosexualität.

Wenn das der Vorsitzende hätte erleben dürfen. Jack vertreibt sich die Zeit auf einer Modenschau und schleppt das Top-Model ab. Eine speziell auf ihn angesetzte Agentin, die dann im Verlauf einer guten Schampus-Nacht von Moores Qualitäten überzeugt wird. Sie storniert den Job. Weil die deutsche Seite dem Ministersohn eine gut dotierte Position verspricht, schiebt er Jack einen Mord ins Bett - Jack wird in der Einzelzelle schmachten. Reflexionen über das chinesische und das amerikanische Strafsystem setzen ein: lieber keine Opfer und massenhaft Hinrichtungen oder doch besser eine hohe Statistik auf beiden Seiten? China befindet sich nun im Umbruch. Von hier aus kann man nur warnen. Gegen alte Parteistrukturen und -freundschaften kämpft Jacks Pflichtverteidigerin Shen Yuelin (Bal Ling) an.

Und siehe da, China ist ein Rechtsstaat. Wenn auch im Anfangsstadium. Der eine oder andere Arschtritt ist dem Gefangenen zwar sicher, auch, daß sein Napf mit Eigenurin ausgespült wird. Das jedoch sind Folgen von durch und durch kapitalistischen Intrigen.

Aber "Red Corner" ist auch ein spannender Gerichtsfilm (mindestens, bis er nach den ersten Tränen von Shen Yuelin ins Sentimentale abkippt). Und dazu ist ein längerer Prozeß sowie eine gültige Strafprozeßordnung unabdingbar. Tja, und alles sieht so aus, als würde Shen Yuellin ihren Mandanten nach allen Regeln der engagierten Kunst heraushauen - bis sie sogar auf "Nicht schuldig" plädiert. Verliert sie, bedeutet das ein sicheres Todesurteil.

Die Strafe wird oft genug auf Video eingespielt (Massen-Genickschuß). Die zwei sind jetzt ganz bei sich: Die amerikanische Botschaft hat sich nämlich auch Jack gegenüber als das korrupte Schweinesystem entpuppt, als das es hierzulande jahrelang entlarvt wurde. Aber es gibt eben auch noch eine andere Botschaft, und das macht die ganze Geschichte äußerst ambivalent. Weil es böse und ehrenwerte Chinesen gibt, böse und gute Amerikaner und - genau beobachtet - einen saubösen Deutschen im Hintergrund. Vielleicht stellt das die neue Triade dar. In einem durchaus präzis analysierten Weltmarktgeschehen.

"Red Corner - Labyrinth ohne Ausweg". USA 1997. R: Jon Avnet.
D: Richard Gere, Bay Ling, Byron Mann. Start: 22. Januar 1998