Montag, 17.06.2024 / 17:33 Uhr

Interview: Große Angst ist, dass Hamas nach dem ganzen Elend nicht vertrieben wird

Mohammad Altlooli/ Protest gegen die Hamas im Juli 2023, Bildquellen: Youtube/privat

Mohammad Altlooli, Leserinnen und Lesern dieses Blog bekannt durch seinen "Offenen Brief an die wirklichen Freunde der Palästinenser", versucht gerade mit anderen aus Gaza eine Liberale Partei zu gründen. 

Der niederländische Telegraaf interviewte ihn kürzlich, wie er die Lage in Gaza und die europäische Palästina-Solidarität sehen würde. Anbei einige Auszüge aus diesem Interview, die ins Deutsche übersetzt wurden:

Mohammed Altlooli versucht, was unmöglich scheint: eine demokratische Bewegung in Gaza aufzubauen und die Hamas zu bekämpfen. Er ist nach Westeuropa geflohen und ist besorgt über die Studentenproteste. "Die Unterstützung der Hamas schadet uns."

 

Wie sehen Sie die pro-palästinensischen Proteste an den Universitäten hier?

„Es ist bewegend, dass so viele Menschen mit der palästinensischen Sache solidarisch sind. Aber leider sehen wir, dass manche Hass verbreiten und Juden Angst machen. Ich glaube, die meisten dieser Studenten wollen den Palästinensern wirklich helfen, aber sie verstehen nicht, dass dies ausgenutzt wird. Die Unterstützung der Hamas schadet uns; wir wollen nicht mit Slogans in Verbindung gebracht werden, die sie als Helden darstellen. Statt mit Antisemiten oder Israelhassern zusammenzuarbeiten, wollen wir es mit Menschen tun, die an eine gemeinsame Zukunft in einer friedlichen und prosperierenden Region glauben. Sie kennen den Slogan der Islamisten: ‚Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.‘ Unsere Botschaft muss das Gegenteil sein.“

 

Haben wir einen falschen Eindruck von der Situation in Gaza?

„In Europa denken viele Leute, dass die meisten Gaza-Bewohner die Hamas und den Terrorismus unterstützen. Als Leute wie wir (2019) auf die Straße gingen, bekamen wir vom Westen nicht viel Unterstützung. Sie sehen uns vor allem als Opfer, die Brot und Wasser wollen. Aber neben Nahrungsmitteln wollen wir vor allem Freiheit und Fortschritt. Es ist gut, dass so viel Hilfe nach Gaza geht, aber jeden Tag hören wir, wie die Hamas einen großen Teil davon an ihre eigenen Unterstützer verteilt. Und wir haben gesehen, wie die Hamas das gesamte Hilfsgeld ausgegeben hat. Nicht, um Schulen zu bauen, sondern um Tunnel zu graben und Waffen zu kaufen.”

 

Bildquelle: De Telegraaf

 

Wie beurteilen Sie Israels Ansatz im Kampf gegen die Hamas?

„Israel bestraft Zivilisten, tötet Kinder und zerstört Häuser. Es ist eine falsche Reaktion auf den 7. Oktober, aber Israel hat auch früher den Fehler gemacht, der Hamas Millionen zu geben. Die Menschen zahlen jetzt den Preis. Die große Angst in Gaza ist, dass die Hamas nach all diesem Elend nicht wirklich vertrieben wird. Als die IDF den Norden Gazas verließ, kehrte die Hamas-Polizei einen Tag später zurück. Auch 2021, nach dem Krieg, schloss Israel neue Abkommen mit der Hamas. Es ist wirklich möglich, eine alternative Partei für das politische System zu unterstützen. Wir haben Listen mit mehr als 300 jungen Leuten in Gaza, die in einer Partei mit liberalen Ideen aktiv sein wollen. Wenn wir eine echte Alternative anbieten, werden die Leute dies begrüßen und sie unterstützen. Nur glaubt Israel nicht, dass die meisten Palästinenser Frieden wollen; sie denken, jeder sei ein Terrorist.“

 

Wie denken die Menschen in Gaza über den 7. Oktober?

"Auch für sie war es ein schrecklicher Tag, denn die Hamas wusste, was folgen würde. Die Bewegung nahm auch ganz Gaza als Geisel, und was nach dem 7. Oktober geschah, geschah wegen der Hamas, während die Führer sicher in Tunneln oder in Katar sind."

 

Wollen die Menschen in Gaza Demokratie?

"Die Mehrheit will das, denke ich, vor allem die jungen Leute. Natürlich profitieren zu viele Menschen von der Hamas und glauben immer noch an ihre giftigen Ideen. Aber wenn man ihnen die Wahl zwischen einem Leben in Demokratie und Frieden oder der Diktatur und dem Krieg der Hamas gäbe, würden die meisten die Demokratie wählen. Als der iranische Präsident bei einem Hubschrauberabsturz starb – und wir alle wissen, dass der Iran der größte Unterstützer der Hamas ist – gingen die Menschen in Gaza auf die Straße, um zu feiern. Selbst in Familien, die geliebte Menschen verloren haben, wollen sie Frieden und nicht noch mehr Krieg, Rache und Hass.

 

Nur wird ihre Stimme nicht gehört, weil die Hamas alles kontrolliert, und wenn man sich äußert, kommen sie, um einen zu verhaften oder die eigene Familie zu schikanieren."

 

Siehe auch dieses Interview mit ihm in den Beltower News.