Homestory #34/24
Dieses Mal fiel die Entscheidung, wohin unsere nächste Recherchereise gehen soll, besonders knapp aus. Wochen-, wenn nicht monatelang wurden heiße Länderkandidaten gehandelt. Daueranwärter Rumänien, ein Reiseziel, das regelmäßig einen sehr leidenschaftlichen Fürsprecher in der Redaktion hat, schaffte es in die engere Auswahl, schied dort aber auch dieses Jahr früh aus, obwohl Schwarzmeerküste, geplanter Nato-Großstützpunkt und moderate Preise passable Argumente für einen Besuch darstellen. Die meisten von uns befürchteten allerdings, dass das Land einfach zu wenig Aufregung bieten würde. Schließlich gilt: Krisengebiete first.
Die vom Trumpismus gebeutelten USA und die von Putins Truppen überfallene Ukraine waren über Wochen die beiden favorisierten Ziele.
Fährt man in andere Länder, passieren einem ohnehin Dinge, die zu Hause nicht geschehen wären. Im Journalistendorf auf Zypern fing sich eine Kollegin die Schweinegrippe ein, im Kibbuz in Israel musste ein Mitglied der Geschäftsführung nach dem Biss einer Katze ins Krankenhaus gebracht werden, in Kroatien fischte die Feuilletonredakteurin eine schwere männliche Wasserleiche aus dem Meer, die sich, kaum war sie an Land gezogen, als höchst lebendig erwies und wild gestikulierend auf ihre Tauchmaske deutete. Aber klar, mit solchen Erlebnissen kann man keine Zeitung füllen.
So etwas wie übellaunige Fellnasen dürften dagegen in Chicago oder Kiew noch das geringste Problem darstellen. Aus Sicht vieler Kollegen und Kolleginnen sprach genau dies dafür, dorthin zu fahren: Die vom Trumpismus gebeutelten USA und die von Putins Truppen überfallene Ukraine waren also über Wochen die beiden favorisierten Ziele.
Land mit jeder Menge Chaos
Flug- und Flixbus-Verbindungen wurden geprüft, Wohnungen auf Airbnb besichtigt, Kontakte zu Journalisten vor Ort geknüpft. Gegen Kiew sprachen letztlich aber doch die regelmäßigen russischen Luftangriffe, gegen Chicago die hohen Kosten (obgleich die Stadt schon mit Bedacht in Betracht gezogen worden war, weil sie im Vergleich zu New York City oder Washington, D.C., billig ist).
Also nichts da, weder Kiew noch Chicago sind es geworden. Zwar wird unser ukraineerfahrener Redakteur das Land auf eigene Faust auch weiterhin bereisen, zwei Redakteurinnen werden sich demnächst in den USA umsehen, aber die kollektive Recherchereise geht in ein Land mit nur leicht instabiler Lage, einem mäßig populistischen Präsidenten und jeder Menge Chaos zwar, aber ohne vom Himmel regnenden Bomben. Es geht nach Frankreich.
Und zwar – weil die Seine zum Baden doch recht schmutzig sein soll – nicht nach Paris, sondern nach Marseille. Warum sind wir da eigentlich nicht gleich drauf gekommen!