Ein Schöngeist an der Zapfsäule: Alexandre Labruffes Roman »Erkenntnisse eines Tankwarts«

B-Movies im Transit

Alexandre Labruffes Romandebüt »Erkenntnisse eines Tankwarts« hat seine Stärke in der ironischen Perspektive, die der Protagonist einnimmt.

Alexandre Labruffe lässt in seinem Debütroman »Erkenntnisse eines Tankwarts« den jungen Beauvoire von seinem Job in einer Tanke in einer Pariser Banlieue erzählen. Ein Ort des Durchgangs, ein Knotenpunkt der Globalisierung.

Beauvoire beobachtet dort Leute wie den Taxifahrer, der dringend seine Lebensgeschichte loswerden will, einen Gefechtsstiefel tragenden Priester und einen Ausbilder, der ihn mit Orwell’schem Neusprech quält. Als Mensch ist Beauvoire für seine Kunden zumeist unsichtbar, gehört gleich den Tanksäulen zum Inventar.

Labruffes Roman kommt durchweg witzig daher, es fehlt ihm jedoch nicht an einer gesellschaftskritischen Ebene.

Um die Langeweile der langen Schichten erträglicher zu gestalten, schaut er B-Movies, philosophiert ausgiebig über das, was er an diesem Ort beobachtet, und organisiert kleine Ausstellungen; heimlich, denn sein Chef hat wenig Verständnis für die künstlerischen Ambitionen seines Mitarbeiters.

Die Stärke des Romans liegt in der ironischen Perspektive, die der Protagonist einnimmt. Dazu kommt eine angenehme Selbstironie. Nur mit Mühe und Not gelingt es dem zaghaften Beauvoire, eine angehimmelte Kundin näher kennenzulernen. Kein Grund, melancholisch zu werden.

Gelassen registriert Beauvoire seine Pannen und hat immer einen ironischen Spruch auf Lager. Labruffes Roman kommt durchweg witzig daher, es fehlt ihm jedoch nicht an einer gesellschaftskritischen Ebene. So wird beispielsweise das Scheitern von Kommunikation vorgeführt: Beim Telefongespräch mit einem guten Freund erfährt Beauvoire von dessen Schicksalsschlägen, doch er hört ihm nicht zu.

Er interessiert sich nur für den Italowestern, dem er währenddessen seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Wer eine Prise Unernsthaftigkeit verträgt und sich einlassen kann auf abwegige philosophische Erörterungen eines Antihelden an einem Nichtort, der wird seine Freude an diesem Roman haben.


Buchcover

Alexandre Labruffe: Erkenntnisse eines Tankwarts. Aus dem Französischen von Cornelius Wüllenkemper. Wagenbach, Berlin 2024, 138 Seiten, 22 Euro