Profiboxerinnen kämpfen für mehr Respekt

Starke Championesse und kaputte Typen

Erfolgreiche Boxerinnen fordern außer gleicher Bezahlung auch genauso lange Kampfzeiten wie bei den Männern. Ihrem Sport würde das nutzen.

Frauen begehren im Profiboxen auf. Internationale Superstars wie ­Amanda Serrano, Chantelle Cameron oder Seniesa Estrada fordern gleiche Regeln wie bei den Männern und eine bessere Bezahlung. Statt wie bisher nur für zehn Runden von zweiminütiger Dauer in den Ring steigen, wollen die Profisportlerinnen zwölf Runden à drei Minuten – wie bei den Männern üblich.

»Wir werden der Welt beweisen, dass wir im Ring genauso mutig, dynamisch und fähig sind wie Männer«, sagte Serrano, die bekannteste Boxerin der Welt, der versammelten Weltpresse im vergangenen Herbst. Die in Puerto Rico geborene und in Brooklyn aufgewachsene Ausnahmeathletin konnte bisher in ihren Profijahren WM-­Titel in sieben Gewichtsklassen erobern.

Den ersten Kampf über diese Dauer boxte Serrano Ende Oktober gegen ihre WBO-Pflichtherausforderin Danila Ramos in Orlando. Serrano gewann den Kampf mit 120-108 auf allen drei Punktzetteln. Damit hat sie den ersten professionellen Kampf zwischen Frauen gewinnen können, der nach denselben Regeln wie bei den Männern austragen wurde. Gemeinsam mit ihrer Gegnerin hatte sie zuvor eine Erklärung mit dem Titel »Our Choice« veröffentlicht, in der die Boxerinnen für sich »die gleiche Behandlung und den gleichen Re­spekt« wie für ihre männlichen Kollegen einfordern.

»Oftmals hatte ich in meinen Kämpfen die Gegnerin am Rande des K. o., doch durch die Zweiminuten­runden konnten sich die Gegnerinnen wieder erholen und über die Runden retten.« Regina Halmich

Boxende Frauen wurden zu lange zu wenig gefördert und zu gering entlohnt. Dies soll sich nun ändern. Bei dem Titelkampf standen Serranos WBO-, IBF- und WBA-Gürtel sowie der Gürtel des Magazins The Ring auf dem Spiel. Serrano hält auch den Titel des World Boxing Council (WBC), doch der stand nicht auf dem Spiel, da der WBC nicht genehmigte, ihn nach den auch für Männer geltenden Regeln zu verteidigen.

Der Präsident des WBC, der mexikanischer Geschäftsmann Mauricio Sulaimán, behauptet, dass Frauen aufgrund ihres Körperbaus häufiger Gehirnerschütterungen davontrügen als Männer. »Im Tennis spielen Frauen drei Sätze. Beim Basketball ist der Korb kürzer und der Ball kleiner, und das sind keine Kontaktsportarten«, argumentierte Sulaimán im vergangenen Jahr in sozialen Medien, wie das deutsche Boxsport-Portal ­Boxen1 berichtete.

Nach dem Kampf teilte Serrano mit, dass sie in Zukunft nur an Titelkämpfen teilnehmen werde, die über zwölf Runden à drei Minuten gehen. Damit gab sie den Federgewichtsgürtel des WBC auf. »Ich bin neben Katie Taylor die erste Boxerin, die im Madison Square Garden geboxt hat«, schrieb Serrano Boxen1 zufolge auf Instagram. »Ich habe die gleichen Sponsoren wie auch die männlichen Boxer«, dazu sei sie »die erste unangefochtene weibliche Championesse, die einen Weltmeisterschaftskampf über 12×3-Minuten-Runden bestritten hat«. Wenn eine sanktionierende Körperschaft wie der WBC ihr und ihren Mitkämpferinnen nicht die Wahl lasse, genauso zu kämpfen, wie es auch die Männer seit langer Zeit tun, »dann werde ich nicht mehr für diese sanktionie­rende Körperschaft kämpfen«, so die 35jährige weiter.

Gleichzeitig bedankte sie sich bei jenen Sanktionsbehörden, »die sich für Gleichberechtigung eingesetzt haben«. Denn nun hätten die Gegnerinnen, die ihr im Ring gegenübertreten möchten, die Wahl: »Ich habe meinen Teil dafür gemacht.«

Viele prominente aktive und frühere Boxerinnen sprangen Serrano bei. Regina Halmich, ehemalige deutsche Boxsportlerin und von 1995 bis 2007 ungeschlagene Weltmeisterin der Women’s International Boxing Federation (WIBF), glaubt, dass konditionelle Defizite in Zukunft stärker ins Gewicht fallen werden und dadurch dann auch größere Qualitätsunterschiede erkennbar werden. ­Oftmals sei in ihren Kämpfen die Gegnerin am Rande des K. o. gewesen, berichtete die gebürtige Karlsruherin dem Magazin Boxsport, »doch durch die Zweiminutenrunden konnten sich die Gegnerinnen wieder erholen und über die Runden retten«. »Sobald die Kondition einmal weg ist, verliert man Aufmerksamkeit, Schlagkraft, Geschwindigkeit«, beschreibt Sarah Liegmann, die den Youth Worldtitle des WBC im Federgewicht hält, die Situation im Ring. Dies führt dann schneller zu Knock-outs.

Die Anhebung der Kampfdauer von insgesamt 20 auf 36 Minuten erfordert enorme Änderungen in der Trainingsarbeit. Insbesondere im internationalen Bereich wird längst schon ähnlich wie bei den Männern trainiert. »Ich habe immer Dreiminutenrunden trainiert«, beschreibt Halmich ihren Trainingsalltag. In ­ihrer Hochphase habe sie Sparring über zwölf mal drei Minuten absolviert, im Wechsel mit drei Sparringspartnern. »Die Rundenzeit von zwei Minuten hindert das Frauenboxen eher an der Weiterentwicklung«, betonte Kay Huste im Magazin Boxsport. Er ist der Trainer von Nina Meinke, die derzeit den europäischen Titel im Federgewicht der Frauen hält.

Durch die längere Dauer wird ein Kampf entschleunigt. »Bei längerer Rundenzeit gibt es keine reine Boxschlachten mehr, sondern es wird mehr Wert auf die technisch-taktische Komponente gelegt«, so Huste. Technisch besser ausgebildete Boxerinnern profitieren seiner Ansicht nach von der Verlängerung der Rundenzeit. Vielfach würden heutzutage die zwei Minuten einfach mit unkontrollierten Schlägen in hoher Frequenz bestritten, nach dem Motto »Kopf runter und Feuer frei«. Diese Taktik ginge bei längerer Rundendauer nicht mehr auf. Dies wäre ein Meilenstein im professionellen Frauenboxen.

Die Herren der Boxwelt rümpften über die erste Box-WM der Frauen 1995 die Nase. »Das ist eine Vergewaltigung meiner Sportart«, entrüstete sich der Olympiasieger von 1968 und Meistertrainer, Manfred Wolke.

Die Anfänge des professionellen Frauenboxens liegen in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die als »Rummelboxerin« verschriene Barbara Buttrick gründete 1995 die WIBF und veranstalte im selben Jahr deren erste Weltmeisterschaft in Las Vegas. Einen von den sechs Kämpfen bestritt die damals 18jährige Regina Halmich. Die Herren der Boxwelt rümpften die Nase. »Das ist eine Vergewaltigung meiner Sportart«, entrüstete sich der Olympiasieger von 1968 und Meistertrainer, Manfred Wolke. Sein Schützling, der Weltmeister im Halbschwergewicht, Henry Maske, pflichtete im bei: »Da gehe ich nie wieder hin.«

Der Promoter Wilfried Sauerland schwor damals: »Bei mir werden nie Frauen ins Programm kommen.« Es dauerte dann immerhin 13 Jahre, bis der Boxstall Sauerland doch die erste Boxerin unter Vertrag nahm. Nur ein Jahr später wurde die Superleicht­gewichtlerin Cecilia Brækhus aus Norwegen Weltmeisterin der WBA und WBC im Weltergewicht. Vom Magazin Boxsport wurde sie als »Boxerin des Jahres 2010« ausgezeichnet.

»Ich habe mein Leben dem Boxsport gewidmet. Kein Telefon, kein Freund, keine Partys. Nur Boxen«, beschrieb Serrano einmal ihre große Leidenschaft für den Sport. Die Ausnahmesportlerin ist die einzige Boxerin aus Puerto Rico, die unangefochtene Vier-Gürtel-Championesse geworden ist.

Sie ist die einzige Boxerin, die jemals in sieben Gewichtsklassen den Weltmeistertitel gewonnen hat. Sie liebt Boxen genauso wie Zehntausende Frauen, die in Deutschland diesem Sport nachgehen. Kaputtmachen können diese Leidenschaft auch männliche Funktio­näre wie Mauricio Sulaimán nicht.