Der Internationalen Boxverband hat die Ukraine suspendiert und wird von großen Verbänden boykottiert

Der Ex-Nachtwolf und der Boxverband

An der Box-WM der Frauen nahmen insgesamt 13 große Verbände nicht teil. Die meisten sagten aus Protest gegen die Politik des kremlnahen Vorsitzenden des Internationalen Boxverbands ab.

Die am 26. März beendete Boxweltmeisterschaft der Frauen im indischen New Delhi wurde in deutschen Medien kaum beachtet. Auch weltweit hält sich das Interesse an der Sportart selbst während großer Events in engen Grenzen.

Der Boykott der WM durch mehrere Fachverbände tat ein Übriges. Der Weltverband International Boxing Association (IBA) erlaubte russischen und belarussischen Athletinnen nämlich, unter ihrer Landesflagge anzutreten, und im Falle eines Sieges auch, die Nationalhymne abzuspielen. Wegen des weitreichenden Boykotts war die Veranstaltung nicht nur medial, sondern auch sportlich von deutlich geringerem Interesse und ließ sich schwerlich als »Weltmeisterschaft« bezeichnen.

Ein Grund für den Boykott von Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Polen, den Vereinigten Staaten und anderen ist der seit mehr als einem Jahr andauernde russische Angriffskrieg in der Ukraine. Der IBA steht seit Dezember 2020 der russische Staatsbürger Umar Nasarowitsch Kremlew vor. Der Gründer der Firma Patriot Boxing Promotions gilt als Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin. Außerdem soll der 40jährige ehemalige Boxer Mitglied der nationalistischen Rockergruppe Nachtwölfe gewesen sein.

Umar Nasarowitsch Kremlew, der Vorsitzende des internationalen Boxverbands IBA, gilt als Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin. Außerdem soll er Mitglied der nationalistischen Rockergruppe Nachtwölfe gewesen sein.

»Ich bin sauber. Ich habe nichts zu verbergen«, beteuerte Kremlew, nachdem er zum Präsidenten gewählt worden war. Die IBA sei »auf dem richtigen Weg. Wir werden der ehrlichste, sauberste und transparenteste Sportverband«, behauptete er. Die den Weltverband belast­enden Schulden in Millionenhöhe tilgte der seit Ende 2018 zu dessen Führungszirkel gehörende Funktionär mittels eines Sponsorenvertrags mit dem russischen Erdgasförderunternehmen Gazprom. Außerdem kündigte er an, gegen Bestechungen von Kampfrichtern vorzugehen, Manipulationen von deren Urteilen sollten zukünftig nicht mehr möglich sein.

Im August 2021 verkündete Kremlew, dass die Verbindlichkeiten des Weltverbandes mit Hilfe »internationaler Unternehmen« vollständig getilgt seien. Um welche Unternehmen es sich bei den Geldgebern handelte, sagte er jedoch nicht. Das ist ein klarer Verstoß gegen die elementaren Prinzipien des Internationalen Olympischen Komitees (IOC); der Verband ist vom IOC seit 2019 suspendiert, der Ausschluss von den Olympischen Sielen 2024 droht.

Erste Ergebnisse
Der Sportdirektor des deutschen Deutschen Boxsport-Verbands, Michael Müller, forderte trotz alledem öffentlichkeitswirksam, dem neuen Präsidenten erst einmal Vertrauen entgegenzubringen: »Ich empfehle, die Menschen nach ihrem Handeln zu beurteilen und zu fragen: Hält er, was er verspricht?«

Erste Ergebnisse waren schnell zu beobachten. Bei den 21. Boxweltmeisterschaften der Herren in der serbischen Hauptstadt Belgrad im Herbst 2021 wurden erstmals in der WM-Geschichte Siegprämien in Höhe von 2,6 Millionen US-Dollar an die Athleten ausgezahlt.

Es gab zum zweiten Mal überhaupt bei einer WM die Möglichkeit, Proteste gegen Kampfurteile einzulegen. Zwei unabhängige Gutachter prüften dann das Ergebnis. Immerhin also: erste Schritte, um der weitverbreiteten Korruption in der Sportart entgegenzutreten.

Diesen Fortschritten stehen aber Entscheidungen entgegen, die den Weltverband auf Abwege führten. Kurz vor dem außerordentlichen Kongress des Weltverbands im Herbst vergangenen Jahres wurde der ukrai­nische Verband wegen angeblicher Einmischung des Staats in die Arbeit des nationalen Verbands suspendiert. Erst aus den Medien habe man davon erfahren, hieß es aus der Ukra­ine. »Wir sind überzeugt davon, dass die Suspendierung lediglich ein Versuch ist, die ukrainische Boxgemeinschaft zum Schweigen zu bringen«, sagte der Verbandspräsident Kyrylo Schewtschenko der Presse.

»Erschreckend und inakzeptabel«
Zugleich protestierte der nationale Verband dagegen, dass der aus der Ukraine stammende IBA-Vizepräsident Wolodymyr Prodywus vom Vorstand des Weltverbands als Koordinator eingesetzt wurde. »Das ist erschreckend und inakzeptabel«, so Schewtschenko weiter und fragte: »Wie kann er ukrainische Boxer koordinieren, wenn er vor sieben Monaten aus der Ukraine geflohen ist?«

Als Hauptgrund für den amerikanischen Boykott der Frauen-WM nannte der Vorsitzende des US-Verbands, dass die IBA die vom Internationalen Olympischen Komitee beschlossenen Sanktionen aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine umgehe.

Anfang Februar sagte der US-amerikanische Boxverband USA Boxing schließlich als erster Verband seine Teilnahme an der diesjährigen Weltmeisterschaft der Frauen in Indien ab. In einer Stellungnahme erklärte der Vorsitzende des Verbands, Mike McAtee, dass bei dieser Entscheidung vor allem »die Misserfolge der IBA und die Achtung der Olympischen Charta« im Vordergrund stünden. Er beklagte des Weiteren Missstände im Wettkampfmanagement, in der Verbandsführung und bei den Finanzen. Als Hauptgrund für den Boykott nannte er, dass die IBA die vom Internationalen Olympischen Komitee beschlossenen Sanktionen aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine umgehe.

Nur kurz darauf folgten der irische Boxverband sowie diejenigen Tschechiens und Großbritanniens dem Boykott und etwas später weitere nationale Verbände. Der kosovarische Verband zog seine Athletinnen ebenfalls zurück, aufgrund von Diskriminierung. In diesem speziellen Fall hatten die indischen Behörden dem Verband die Verwendung der Flagge und der Nationalhymne des Kosovo aus politischen Gründen verboten. Indien erkennt den Kosovo nicht an. Einer kosovarischen Boxerin, die unter der Flagge der IBA antreten wollte, war zudem das Einreisevisum verweigert worden.

Kein Boykott, keine Teilnahme
Der organisierte deutsche Boxsport schloss sich dem Boykott der Weltmeisterschaft nicht an. Trotz dieser Entscheidung traten aber keine Athletinnen aus Deutschland in New Delhi an. Die Teilnahme sei aus trainingsmethodischen Gründen abgesagt worden, sagte der Verbandsvorsitzende Müller der DPA. Man wolle sich ganz auf das europäische Olympia-Qualifikationsturnier im Juni im polnischen Krakau konzen­trieren.

Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass bei den Weltmeisterschaften der Frauen in Indien keine Punkte für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris vergeben werden – und dass bei einem WM-Start das Bundesinnenministerium nicht für die sogenannten Entsendungskosten aufgekommen wäre. Denn noch gilt die Regelung, dass keinerlei finanzielle Zuschüsse fließen, wenn Russen und Belarussen ohne Beschränkungen an Wettbewerben teilnehmen dürfen.