Was denkt der Hund sich bloß?

Wunder im Schnee

Über die Unmöglichkeit, sich vorzustellen, wie Tiere die Welt wahrnehmen
Cocolumne Von

Oft ertappe ich mich dabei, dass ich mich frage, was Coco wohl gerade so denkt. Das ist absurd, denn wie immer man das, was im Kopf eines Hundes vor sich geht, nennen möchte: Klar ist, es wird vollkommen anders sein, als unsereins es sich vorstellen kann.

Das geht ja schon damit los, dass Tiere in einer völlig anderen Welt leben als wir Menschen. Sie nehmen ganz andere Dinge wahr. Ihre Welt ist eine Landschaft aus Farben, Gerüchen und anderen Eindrücken, die wir nicht einmal erahnen können. Wir wissen zwar, dass Tauben vier statt drei Grundfarben sehen, aber welches Bild entsteht dabei?

Wir haben keine Vorstellung davon und auch keine Möglichkeit nachzuzeichnen, wie sich die Welt darstellt, wenn man wie die Stubenfliege Tausende Facettenaugen hat und 200 Bilder pro Sekunde wahrnehmen kann. Wir mit unseren zwei Augen, die nur 18 Bilder pro Sekunde sehen, sind im Grunde halbblind. Ein Aal hat über eine Milliarde Riechzellen. Was, zum Teufel, riecht er da unter Wasser? Ich rieche dort nichts. Gar nichts.

Natürlich schämt man sich als Hundehalter ein wenig dafür, dass der eigene Hund das zauberhafte weiße Winterwunderland mit Hilfe seiner Artgenossen in eine gelbe Graffiti-Hölle verwandelt.

Auch Cocos Welt besteht zu einem großen Teil aus einer für mich überhaupt nicht nachvollziehbaren Geruchslandschaft. Pinkeln ist für sie nicht nur Blasen­erleichterung, sie kommuniziert auf diesem Wege auch mit den anderen Hunden. Hier ein paar Tröpfchen, dort ein paar Tröpfchen. Besondere Funde, wie zum Beispiel ein auffällig herumliegender Ast oder ein abgestellter Weihnachtsbaum, werden von Coco auf diese Weise kommentiert.

Und an bestimmten, für uns unsichtbaren Stellen posten alle entlangkommenden Vierbeiner ihre Meinung oder was auch immer sie sich zu sagen haben. Oh, da haben drei Hunde schon etwas geäußert! Da muss Coco erst mal schnüffelnd genau lesen, worum es geht, bevor sie dann ­konzentriert ihren ei­genen Kommentar absetzt.

Doch manchmal, ganz selten, da kommt es vor, dass diese geheimnisvolle Welt der Tiere für uns sichtbar wird. Im Schnee beispielsweise. Und natürlich schämt man sich als Hundehalter ein wenig dafür, dass der eigene Hund das zauberhafte weiße Winterwunderland mit Hilfe seiner Artgenossen in eine gelbe Graffiti-Hölle verwandelt. Nun können plötzlich auch wir sehen, wo bereits Hunde getaggt haben, sehen schon vor uns die Ecke des Wegs, die offenbar als Schwarzes Brett gilt, und wundern uns nur noch wenig darüber, dass es den eigenen Hund nun auch dorthin zieht. Wir können sehen, was der Hund riecht, dank des Schnees. So als hielte man ein mit Zaubertinte beschriftetes Blatt Papier über ein Kerze. Sie kennen den Trick.

Letztlich lassen sich die unschönen Verfärbungen der ansonsten makellosen malerischen weißen Winterwelt auch leichter ertragen mit dem Gedanken, dass wir Zeuge eines großen Wunders des Lebens werden, dass wir die Geheimschrift unserer Hunde zwar nicht entschlüsseln, aber immerhin wahrnehmen können. Seien wir dankbar.