Drei Kandidaten stehen für die Präsidentschaftswahl in Indonesien bereit

Dreikampf um die Präsidentschaft

Drei Kandidaten konkurrieren in Indonesien um die Nachfolge des Präsidenten Joko Widodo. Dessen Plänen, das Land weiter zu demokratisieren, folgten keine Taten.

Jakarta. Das Rennen hat begonnen. Vorige Woche hat die Wahlkampfkommission Indonesiens (KPU) bekanntgegeben, welche drei Kandidaten sich im kommenden Jahr auf die Nachfolge des beliebten indonesischen Präsidenten Joko Widodo bewerben.

Es könnte ein Erfolg im dritten Anlauf für den 73jährigen Verteidigungsminister und ehemaligen General Prabowo Subianto werden, der derzeit die Umfragen anführt. Ein Coup war ihm mit der Wahl seines Vizepräsidentschaftskandidaten gelungen: Er nominierte den erst 36jährigen Sohn Widodos, Gibran Rakabuming Raka, nachdem der Oberste Gerichtshof kurz zuvor entschieden hatte, das Mindestalter von 40 Jahren für Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten gelte nicht für gewählte Regionalführer.

Widodo stellt sich damit faktisch gegen seine Partei PDI-P (Demokratische Partei des Kampfes Indonesiens), die mit Ganjar Pranowo einen eigenen Kandidaten stellt. Die Nominierung war mit erheblichen Protesten verbunden, da der Oberste Gerichtshof seine umstrittene Entscheidung unter Anleitung von Widodos Schwager getroffen hatte.

Widodo, der einst als Quereinsteiger in die Politik und Außenseiter gefeiert wurde, scheint nun auf dem Weg zu sein, eine Familiendynastie zu errichten; darüber hatte er sich bei seinen Kon­kurrent:innen immer lustig gemacht. Trotz dieser Kontroverse und anderer Skandale verlässt Widodo sein Amt mit hohen Beliebtheitswerten, vor allem dank einer stabilen wirtschaftlichen Lage und großer Investitionen in die Infrastruktur des Landes. Kürzlich wurde eine Schnellzuglinie von Jakarta in die Nachbarstadt Bandung eröffnet, der mit chinesischen Investitionen erbaut wurde. Beliebt wurde Widodo vor allem durch einen neuen Politikstil mit spontanen Besuchen in den Nachbarschaften.

Von den Nachfolgekandidaten äußert bisher keiner offene Kritik an ihm, nicht zuletzt weil alle drei zeitweise seine Mitstreiter waren und sich daher auch darum streiten, wer das politische Projekt Widodos am erfolgreichsten fortsetzen kann.

Ganjar Pranowo hatte erst im Sommer dazu beigetragen, dass die Fifa die U18-Fußball-WM in Indonesien absagte, indem er forderte, der israelischen Mannschaft die Teilnahme zu verweigern.

Mit dessen Sohn an der Seite gilt nun ausgerechnet Prabowo als politischer Erbfolger des Präsidenten; er ist der Gründer der nationalistischen und konservativen Partei der Bewegung Großes Indonesien (Gerindra). Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 und 2019 war Prabowo der Widersacher Widodos und leitete bei Letzterer wochenlang Proteste gegen diesen wegen angeblichen Wahlbetrugs, wobei er auch rechtskonservative Gruppen mobilisierte. Der Konflikt wurde nur dadurch beendet, dass Widodo ihn zu seinem Verteidigungsminister machte.

Prabowo ist der einzige der Kandidaten, der seine Karriere unter der 1998 beendeten Diktatur unter Präsident Suharto begann, und zwar als Offizier. Nach dessen Sturz wurden ihm unter anderem Menschenrechtsverletzungen in Osttimor vorgeworfen, er wurde wegen der Beteiligung an der Entführung von Demokratieaktivisten aus dem Militärdienst entlassen. Prabowos politische Strategie basiert nun auf dem Versprechen, die großen politischen Projekte Widodos wie den Bau der neuen Hauptstadt Nusantara weiterzuführen.

An zweiter Stelle der Umfragen liegt derzeit Ganjar Pranowo. Ab 2019 galt er als aussichtsreichster Nachfolger Widodos und regierte von 2013 bis September dieses Jahres die bevölkerungsreiche Provinz Zentraljava. Er ist Mitglied von Widodos PDI-P, kopiert dessen Politikstil und verspricht Kontinuität. Damit steht er unter dem Einfluss der ehemaligen Präsidentin und immer noch amtierenden Vorsitzenden der PDI-P, Megawati Sukarnoputri. Sie ist die Tochter des ersten indonesischen Präsidenten Sukarno und gilt nach wie vor als mächtigste Frau Indonesiens. Spekuliert wird, dass sich Widodo nun aus ihrem Einflussbereich befreien wollte, weswegen er Ganjar nicht mehr offen unterstützte.

Einziger Kandidat der derzeitigen Opposition ist der konservative Anies Baswedan. Er hatte im ersten Kabinett von Widodo gedient, sich aber bei seiner Wahl zum Gouverneur von Jakarta mit dem Kandidaten der PDI-P überworfen. Den Wahlsieg verdankte er vor allem ­einer mit Islamisten geführten Schmutzkampagne. Seinem beliebten christlichen Gegenkandidaten Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, wurde Blasphemie vorgeworfen, Jugendgruppen islamistischer Organisationen mobilisierten auf der Straße gegen ihn. Letztlich verlor Ahok die Wahl und wurde sogar wegen Blasphemie inhaftiert.

Für die progressiveren Teile der indonesischen Gesellschaft ist die Wahl nun besonders schwierig. Widodo war vor acht Jahren als Außenseiter, der nicht zur politischen Kaste gehörte, gewählt worden, weil er einen demokra­tischen Aufbruch versprach. Jedoch hat er die Erwartungen enttäuscht. Insbesondere die Schwächung der Antikorruptionsbehörde und ein neues Arbeitsgesetz führten zu Massenprotesten von Demokratieaktivisten und Gewerkschaften.
Auch die Einführung des neuen Strafgesetzbuchs im vorigen Jahr erfolgte trotz zahlreicher Proteste. Menschenrechtsorganisationen, darunter Human Rights Watch, äußern Kritik, insbesondere hinsichtlich der Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Regulierung von Sexualität. Das Gesetz erweitert nicht nur den Blasphemieparagraphen, sondern ermöglicht auch die Kriminalisierung von außerehelichem Sex (auf Antrag der Eltern der Beteiligten) und gleichgeschlechtlichem Sex.

Zudem ist unter anderem die Verbreitung marxistisch-leninistischer Ideologien verboten. Die nicht aufgearbeiteten Massenmorde an Hunderttausenden Mitgliedern und vermeintlichen Anhängern der Kommunistischen Partei Indonesiens Mitte der sechziger Jahre wirken in der Politik nach, zumal sie bis heute propagandistisch verklärt werden. Zwar hatte sich 2021 eine neue Arbeitspartei aus den Gewerkschaften gegründet, in den derzeitigen Debatten spielt sie jedoch nur am Rand eine Rolle.

In ihrer Haltung zu Israel gibt es nur graduelle Unterschiede zwischen den drei Kandidaten. Seit der Zeit des Staatsgründers Sukarno solidarisiert sich die Regierung des Landes mit der palästinensischen Bewegung. Der Konflikt wird durch die Linse des eigenen antikolonialen Kampfs betrachtet und von den unterschiedlichen religiösen Strömungen angeheizt.

Ganjar Pranowo hatte erst im Sommer dazu beigetragen, dass die Fifa die U18-Fußball-WM in Indonesien absagte, indem er forderte, der israelischen Mannschaft die Teilnahme zu verweigern. Zu Israel bestehen keine diplomatischen Verbindungen, die Importe belaufen sich derzeit auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Einigen Parlamentariern ist das aber immer noch zu viel; sie forderten jüngst einen vollständigen Boykott. Zu einer Demonstration in Jakarta gegen das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen kamen am 5. November AP zufolge einige Hunderttausend Menschen, unter ihnen auch Außenministerin Retno Marsudi. Die Kämpfe gegen die Junta in Myanmar oder der bewaffnete Konflikt in Westpapua hingegen interessieren nur eine Handvoll Aktivist:innen.