Polnische Helden, polnische Nachbarn
Fußball ist ein Sport der Legenden. Auch und vor allem im Ruhrgebiet, wo, wie schon Franz Beckenbauer wusste, das Herz des deutschen Fußballs schlägt. Zwei Legenden sind für den Lokalpatriotismus entscheidend: Die Vereine im Ruhrgebiet seien von Arbeitern gegründet worden und das Ruhrgebiet sei immer schon ein von Toleranz geprägter kultureller Schmelztiegel gewesen, wofür die Integration der Polen beispielhaft stehe. Gemeinsam haben beide Legenden, dass sie mit der Wirklichkeit nicht allzu viel zu tun, aber doch einen wahren Kern haben.
Fußball war bis Ende des Ersten Weltkriegs vor allem ein Sport des Bürgertums, der zum Teil auch im Sportunterricht der Gymnasien unterrichtet wurde. Als sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch im Ruhrgebiet zahlreiche Fußballvereine gründeten, ging die Initiative oft von bürgerlichen Anhängern dieses Sports aus. Heinrich Grütter, der Direktor des Essener Ruhr-Museums, schreibt in einem Kapitel in »Fußball im Ruhrgebiet – Mythos und Moderne«, die Initiative für die Gründung des Vereins Westfalia Schalke im Jahr 1904 sei von Lehrlingen der Herdfabrik Küppersbusch ausgegangen. Das waren nun keine Bürger, aber in gewisser Weise gehörten sie zumindest zur Arbeiteraristokratie. Denn kaum jemand, der auf einer Zeche arbeitete, absolvierte eine Berufsausbildung. Die meisten Bergleute waren »Hauer« und hackten die Kohle aus den Flözen. Sie wurden ein paar Tage angelernt, dann ging es an der Arbeit.
An der Gründung von Borussia Dortmund 1909 war entscheidend der Hüttenbeamte Franz Jacobi beteiligt, der sich damit dem Fußballverbot widersetzte, das in der katholischen Dreifaltigkeitsgemeinde Dortmunds galt, der er und andere Urborussen angehörten. Unter den ersten BVB-Mitgliedern waren Stahlarbeiter, aber auch Brauergesellen, die aus dem damals armen Bayern ins reiche Dortmund gezogen waren.
1910 hatten 500.000 der drei Millionen Bewohner des Ruhrgebiets polnische Wurzeln.
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