Die ehemalige Druckerei Dondorf in Frankfurt am Main ist besetzt

Die Stadt reißt ab

Die denkmalgeschützte ehemalige Druckerei Dondorf im Frankfurter Stadtteil Bockenheim soll einem Neubau weichen. Aktivist:innen haben sie besetzt, um das Gebäude zu erhalten und selbst zu gestalten.
Raucherecke Von

Neubau heißt in Frankfurt am Main in der Regel travertinverkleideter Neoklassizismus oder austauschbarer Glaspalast. Neubau heißt Abriss von Stadtgeschichte, Gentrifizierung, hart umkämpfte Gedenktafeln und Kommodifizierung des öffentlichen Raums. Frankfurt ist die Hauptstadt leerstehender Bürofläche und dieser Titel wird vehement verteidigt.

Nächstes Opfer des Neubaufurors soll die ehemalige Druckerei B. Dondorf in Bockenheim werden. Das wunderschöne, 1890 errichtete Backsteingebäude ist eines der wenigen verbliebenen Zeugnisse des vormals industriell geprägten Stadtteils und zudem ein Ort der Er­innerung an die jüdische Familie Dondorf, deren Mitglieder im nationalsozialistischen Deutschland enteignet, verfolgt, in den Selbstmord getrieben oder ermordet wurden. Nachdem die Nazis sich die Druckerei angeeignet hatten, wurde dort zeitweise das nationalsozialistische Volksblatt gedruckt.

Das Gebäude wurde 2018 dem Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik zugesagt, dessen ursprünglicher Plan einer Synthese zwischen Alt- und Neubau zugunsten eines Abrisses aufgegeben wurde. Die »für eine Arbeitsstätte geltenden Anforderungen an Statik, Barrierefreiheit, Brandschutz, Schallschutz und Schadstofffreiheit« seien mit dem Altbau nicht erfüllbar, so das Institut Anfang des Jahres. Der Neubau soll aber die Fassade des bisherigen Gebäudes als Rekonstruktion bekommen.

Der Ortsbeirat und lokale Initiativen wollen, dass die Druckerei erhalten bleibt. Grüne und SPD haben gemeinsam einen entsprechenden Antrag eingebracht, ebenso die FDP. Geschehen ist jedoch nichts. Deshalb wurde das Druckereigebäude am 24.Juni besetzt. »Es sind alle demokratischen Mittel ausgeschöpft«, sagt Lucas, der für die Besetzer:innen spricht, der Jungle World. »Das Max-Planck-Institut sagt selbst, das Gebäude ist nicht geeignet. Wir haben bessere Ideen für es.« Ein Gang über den Hof zeigt, was er damit meint. Kein Glaspalast, kein Travertin, keine stock photo-Menschen in business chic, wie sie auf den architektonischen Entwürfen des Neubaus zu sehen waren. Stattdessen Leute, die Tischtennis spielen, diskutierende Studis, Besucher:innen aus dem Stadtteil und eine Zeichengruppe, die die Gelegenheit nutzt, das Gebäude auf Papier zu bannen.

Druckerei Dondorf im Jahr 2017

Das Gebäudeensemble der Druckerei Dondorf im Jahr 2017

Bild:
Wikimedia / Karsten Ratzke / CC0 1.0

Innen zeigt sich dann, dass nicht nur die Fassade ein Schatz ist. Über fünf Stockwerke verteilt sich eine endlose Galerie lichter Räume im perfekten Atelierzuschnitt. In einigen Räumen wird gemalt, in anderen hängen bereits Bilder. »Wir haben sehr viele Anfragen für Ausstellungen erhalten«, sagt Lucas. »Derzeit planen wir eine zum Frankfurter Häuserkampf.«

Die Besetzung begreift sich als Teil des Kulturcampus. Dieser war das Produkt zahlloser Bürger:innenwerkstätten, die das Ziel verfolgten, das von der Universität verlassene Areal in Bockenheim anderweitig zu nutzen. Dafür hatte die städtische Wohnbaugesellschaft ABG Holding unter großer Beteiligung der Lokalpolitik zwischen 2011 und 2012 die Bürger:innenwerkstätten veranstaltet. Zur Rede stand etwa in der Druckerei eine Ausstellung zur Industriegeschichte Bockenheims zu etablieren.

Bisher ist davon nicht viel zu sehen. Wo der 37stöckige AfE-Turm der Universität in die Luft gesprengt wurde, steht nun ein Glaspalast mit teuren Eigentumswohnungen. Schon der Turm, ein brutalistischer Betonkoloss, in die Institute für Soziologie, Erziehungswissenschaften und Psychoanalyse untergebracht waren, wurde unzählige Male besetzt.

Der geplante Umzug der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst auf das Areal steht in den Sternen. Jenseits der großen Bauvorhaben hat sich aber längst eine andere Form des Kulturcampus etabliert – Dutzende Initiativen, Theater-, Tanz- und Künstler:in­nengruppen, die jede Nische für sich zu nutzen wissen. Das Besondere daran: Sie haben die Unterstützung der eher bürgerlichen Be­wohn­er:innen des Stadtteils. Der Erhalt des Druckereigebäudes fordern nicht nur die Besetzer:innen, sondern auch der Ortsbeirat und lokalhistorische Stadtteilinitiativen.

Auch die Gruppe Architects for Future unterstützt die Besetzung und fordert ebenso wie der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten Hessen einen Aufschub des Abrisses. Anstelle angeblich energieeffizienter Neubauten wollen sie mehr Sanierungen. Die Druckerei Dondorf als selbstverwaltetes Kulturzentrum könnte zum Pilotprojekt einer solchen Umbauordnung werden. Dazu müssten aber die Dinge einmal anders laufen, als sie es in Frankfurt sonst regelmäßig tun.