Der saudische Einfluss auf den ­professionellen Golfsport nimmt zu

Golf nicht ohne Saudis

Völlig überraschend hat die US-amerikanische Golfvereinigung PGA Tour eine enge Kooperation mit der saudischen Konkurrenz angekündigt, die sie ein Jahr lang bekämpft hatte.

Der Golfsport mag durchaus spannend sein, wirklich aufregend ist er jedoch nur selten. Umso höher schlagen nun die Wellen der Empörung im professionellen Golf. Seit Anfang Juni scheint nahezu nichts mehr so zu sein, wie es war, und das, obwohl die tatsächlichen Veränderungen noch bevorstehen.

Am frühen Morgen des 6. Juni war die Welt des noblen Ballsports noch in Ordnung. Der Norweger Viktor Hovland hatte zwei Tage zuvor in Ohio seinen ersten Turniersieg der laufenden Saison errungen und der Tross der PGA Tour war bereits weitergezogen nach Toronto, wo zwei Tage später die Canadian Open beginnen sollten. Dann, um zehn Uhr Ortszeit, ließ die PGA Tour von ihrem Hauptquartier in Ponte Vedra Beach, Florida, eine Nachricht verkünden, die den Profigolf in seinen Grundfesten erschütterte. Aber der Reihe nach.

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte es schon einmal Unruhe gegeben, als mit LIV Golf erstmals ein ernstzunehmender Konkurrent für die PGA Tour auftrat, und das mit kaum zu überhörendem Getöse. Aufregender und greller sollte die neue Golftour sein und damit neue Zielgruppen ansprechen. Vor allem aber lockte sie zahlreiche namhafte Profis wie Dustin Johnson und Martin Kaymer mit selbst für Golfverhältnisse sehr hohen Geldbeträgen von der PGA Tour weg – und zog so deren Zorn auf sich.

Die PGA Tour schloss daraufhin alle Golfer aus, der bei von LIV Golf organisierten Turnieren antraten, und überzog den neuen Konkurrenten mit rechtlichen Schritten, die, wie in der Geschäftswelt nicht unüblich, umgehend erwidert wurden. Auch verbal war man nicht gerade darauf bedacht, die Lage zu entspannen. Der Commissioner der PGA, Jay Monahan, ließ am Rande eines Turniers in Minnesota wissen, solange er das Sagen habe, werde kein Spieler, der Geld von LIV Golf angenommen hat, je wieder auf der PGA Tour spielen. Auch wurde explizit darauf verwiesen, dass LIV Golf sich im Besitz des saudischen Public Investment Fund und somit de facto in der Hand des saudischen Königshauses befindet, dem zu Recht unzähligen Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden.

Für jene Golfprofis, die geglaubt hatten, hinter der Kritik der PGA Tour an saudischen Menschenrechtsverstößen hätte so etwas wie eine Überzeugung gestanden, ist die Kooperation mit LIV Golf ein Schlag ins Gesicht.

Umso überraschender war daher, dass eben jener Jay Monahan nun verkündete, man habe sich mit LIV Golf und der deutlich kleineren europäischen DP World Tour darauf geeinigt, in Zukunft gemeinsame Wege zu gehen. Alle drei Touren sollen unter dem Dach einer neuen Firma mit dem Arbeitstitel »New Co« (der Begriff steht im Englischen allgemein für eine Firmenneugründung) vereint werden, die unter anderem die Vermarktungsrechte kontrolliert. In deren Vorstand sollen Vertreter und Vertreterinnen der PGA Tour zwar eine Stimmenmehrheit haben, der Vorsitz ist jedoch für Yasir al-Ru­mayyan, den Geschäftsführer des Public Investment Fund, vorgesehen. Sollte Saudi-Arabien sein Investment erhöhen, wovon auszugehen ist, wird sich die Zusammensetzung des Gremiums jedoch mittelfristig womöglich zugunsten des Staatsfonds ändern.

Bisher handelt es sich im Wesentlichen um eine Rahmenvereinbarung und damit kaum mehr als um eine Absichtserklärung. Details müssen noch ausgehandelt werden und bei der PGA Tour gibt es auch einige Entscheidungsträger und -trägerinnen, die nicht gänzlich überzeugt zu sein scheinen. Wie der endgültige Vertrag aussehen wird, ist also noch unklar. Dass der Zusammenschluss noch abgesagt wird, erscheint derzeit aber eher unwahrscheinlich.

Unter den Profigolfern gehen die Meinungen über die Vereinbarung auseinander. Während diejenigen, die für LIV Golf spielen, sie durchweg begrüßt haben, soll die Stimmung bei einem Treffen Monahans mit Profis auf der PGA Tour am Rande der Canadian Open deutlich weniger freundlich gewesen sein. »Intensiv und zumindest hitzig« nannte Monahan selbst das Gespräch. Johnson Wagner, ein Veteran, der bereits seit 2007 an der PGA Tour teilnimmt, erzählte dem zur NBC-Gruppe gehörenden Fernsehsender Golf Channel, einige Spieler hätten den Rücktritt des Commissioners gefordert. Mehrere Spieler hätten gleich eine komplett neues Management verlangt und dafür stehenden Applaus erhalten. 90 Prozent der Anwesenden, so Wagner, seien gegen den Zusammenschluss der drei Touren gewesen.

Was die Spieler offenbar besonders erzürnt, ist die Doppelzüngigkeit Monahans, aber auch der PGA Tour insgesamt. Plötzlich scheint egal zu sein, dass man sich zum Lakaien eines Regimes macht, das aller Wahrscheinlichkeit nach den Journalisten Jamal Khashoggi hat kaltblütig ermorden lassen und dem viele Hinterbliebene von Opfern der Terroranschläge vom 11. September 2001 vorwerfen, nicht genug getan zu haben, um diese zu verhindern. Ganz im Gegensatz zu früheren Ankündigungen will Monahan nun einen »fairen Prozess« schaffen, der es Golfern möglich machen soll, wieder an Turnieren der PGA Tour teilzunehmen, obwohl sie für LIV Golf angetreten waren.

Für die Profis, die der PGA Tour die Treue gehalten und damit womöglich auf beträchtliche Summen verzichtet haben, ist das ein Schlag ins Gesicht. Das gilt umso mehr für diejenigen unter ihnen, die geglaubt hatten, hinter der Kritik an saudischen Menschenrechtsverstößen habe tatsächlich so etwas wie Überzeugung gestanden. Dass die Spieler – wie auch die meisten Angestellten – von dem Deal erst aus den Medien erfuhren, hat die Sache sicher nicht besser gemacht.

Nüchtern, das heißt rein ökonomisch betrachtet, erscheint der Schritt der PGA Tour erschütternd folgerichtig. Die Streitereien vor Gericht waren und sind teuer. Noch teurer wäre es jedoch, sich in puncto Preisgelder in ein langwieriges Wettrüsten mit dem saudischen Königshaus zu begeben. Die Tour hat die Preisgelder deutlich angehoben. Die derzeitige Nummer eins der Welt, Scottie Scheffler, verdiente in der vergangenen Saison 14 Millionen US-Dollar. Mit denselben Erfolgen würde er in der laufenden Saison Berechnungen von Golf Digest zufolge auf 25 Millionen kommen. Unterm Strich sollen alle 70 Profis, die sich für die Play-offs qualifizieren, deutlich besser dastehen.

Insgesamt will die PGA Tour dieses Jahr 153 Millionen Dollar mehr investieren, wovon allerdings nicht alles in Preisgelder, sondern zum Beispiel auch in andere Verbesserungen wie eine Reisekostenübernahme für Rookies, also Tour-Neulinge, fließen soll. Doch die 25 Millionen, die Scheffler theoretisch einstreichen würde, sind noch immer deutlich weniger als die 35,6 Millionen an Preisgeldern, die Dustin Johnson bei LIV Golf im vorigen Jahr verdienen konnte. Vor allem aber musste dieser dafür nur sieben Turniere spielen; Scheffler nahm 2022 an 25 Turnieren teil.

Selbstverständlich sind Preisgelder in dieser Höhe nur mit einem riesigem Defizit für den Veranstalter auszuschütten. Doch dem Public Investment Fund und dem saudischen Königshaus verschlägt das wenig, denn ihnen geht es nicht oder zumindest nicht nur um Wirtschaftlichkeit. Kronprinz Mohammed bin Salman hat verstanden, dass die Wirtschaft des Landes auf eine Zeit nach dem Erdöl vorbereitet werden muss, wenn es seine Stellung in der Region und in der Welt behalten möchte. Investitionen wie jene in LIV Golf oder auch in den englischen Fußballerstligisten Newcastle United ist mehr als nur »Sportswashing«, also Imagepflege für die saudische Diktatur. Sie sind Teil einer langfristigen Entwicklungsstrategie, die vor allem auf Diversifizierung und auf eine Verschiebung der Investitionen auch in die Unterhaltungsbranche abzielt.

Das Zusammengehen der LIV Golf mit der PGA Tour und der von einem Logistikkonzern in der Hand des Herrscherhauses von Dubai gesponserten DP World Tour ist somit auch aus saudischer Sicht sinnvoll. Das Auftreten von LIV Golf hat auf den Markt disruptiv gewirkt und ihn auf eine Art und Weise verändert, die den bisherigen Branchenführer und Fast-Monopolisten PGA zum Umdenken zwang. Der nun entstehende neue Branchenführer wird ein tatsächlicher Monopolist sein und den Markt für Profigolf ganz nach seinen eigenen Vorstellungen ausgestalten können. Spätestens dann werden sich die bislang exorbitant wirkenden Investitionen der Saudis wohl auch wirtschaftlich auszahlen.