Die Diskussion über den juristischen Umgang mit Femiziden

Die Heimtücke des Patriarchats

Rechtspolitische Sprecher:innen der SPD fordern, Femizide sollten »regelmäßig als Mord aus niedrigen Beweggründen« bestraft werden, also mit lebenslanger Haft.
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Ein 44jähriger, der im Verdacht steht, im vergangenen Oktober in Offenbach eine Frau getötet zu haben, sitzt nun in Untersuchungshaft. Das teilte die Polizei am Dienstag vergangener Woche mit. Nach der Tat war der Mann nach Frankreich geflohen, wo er nach monatelanger Fahndung festgenommen werden konnte. Die Staatsanwaltschaft nennt als Motiv Eifersucht. Der Täter habe der Frau nachgestellt, sie wahrscheinlich in seiner Wohnung getötet und sei dann nach Frankreich geflohen. Die Leiche wurde bis heute nicht gefunden.

Anfang des Monats erschoss ein Mann in Bad Lauchstädt im Saalekreis seine ehemalige Partnerin und dann sich selbst, als die Polizei eintraf. Medienberichten zufolge hatte die Frau zuvor der Polizei ihre bedrohliche Lage und den Waffenbesitz des Mannes gemeldet. Der Experte für Waffenrecht, Lars Winkelsdorf, sagte dem MDR, dass die Waffenbehörde auf die Warnung hätte reagieren müssen und dem Beschuldigten seine Waffen hätte abnehmen können. Die Kreisverwaltung hatte zuvor in einer Pressemitteilung verlautbart, dafür hätten die rechtlichen Voraussetzungen gefehlt.

Die Statistik des Bundeskriminalamts zu sogenannter partnerschaftlicher Gewalt gibt für das Jahr 2021 an, dass 301 Frauen Opfer von (versuchtem oder vollendetem) Mord und Totschlag wurden, von ihnen starben 109. Hinzu kommen vier Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge, es sind insgesamt also 113 Frauen, die in Folge partnerschaftlicher Gewalt ums Leben gebracht wurden. Das macht 37 Prozent aller Fälle von Mord und Totschlag (versucht und vollendet) gegen Frauen aus. Bei Männern liegt der Opferanteil bei dieser Deliktart lediglich bei 3,9 Prozent.

Vor dem Gericht handelt eine Frau in der Regel heimtückisch, wenn sie ihren Mann vergiftet, der Mann jedoch nicht, wenn er sie erschlägt.

Dem Bericht zufolge haben die Fälle häuslicher Gewalt in der Covid-19-Pandemie zugenommen. Der Jahresbericht des Hilfstelefons »Gewalt gegen Frauen« gibt an, dass im Jahr 2020 15 Prozent mehr Kontaktanrufe eingegangen sind als noch im Jahr zuvor, im Jahr 2021 hat es einen weiteren Anstieg um fünf Prozent gegeben.

Es ist wahrscheinlich, dass die Dunkelziffer bei tödlicher partnerschaftlicher Gewalt wesentlich höher liegt. Die Initiative »Keine mehr« fordert deshalb eine Reform des Paragraphen 211 StGB zum Tatbestand des Mordes. Gemäß Absatz 2 des Paragraphen wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft, wer beispielsweise aus »niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam (…) einen Menschen tötet«.

Feministische Gruppen und juristische Fachleute merken an, dass diese Kriterien für Mord bei Männern insbesondere in Partnerschaften selten zur Anwendung kämen. Vor Gericht wird die Tötung der (ehemaligen) Partnerin oft nicht als Mord, sondern als Totschlag gewertet. Die emotionale Erregung der Täter während der Tat kann strafmildernd gewertet werden. Gerade das Mord-Merkmal der »Heimtücke« trifft insbesondere Frauen, weil diese seltener in der direkten körperlichen Konfrontation töten. Vor dem Gericht handelt eine Frau in der Regel heimtückisch, wenn sie ihren Mann vergiftet, der Mann jedoch nicht, wenn er sie erschlägt.

Anlässlich des Internationalen Frauenkampftags am 8. März haben rechtspolitische Sprecher:innen der SPD aus Bund und Ländern in Stuttgart eine ­Erklärung unter dem Titel »Gewalt gegen Frauen wirksam bekämpfen!« veröffentlicht. Darin wird gefordert: »Wird eine Frau getötet, weil sie eine Frau ist, muss dies als Femizid anerkannt werden und regelmäßig als Mord aus niedrigen Beweggründen bestraft werden.« Dass es sich um patriarchale Gewalt handelt, soll also strafverschärfend wirken. Für einen Mord ordnet das Gesetz die lebenslange Freiheitsstrafe an.

Nicht allen gefällt dieser Vorstoß der SPD-Politiker:innen. In der Zeit schrieb Tonio Walter, Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht, in einem Gastbeitrag: »Indes töten Männer (Ex-)Partnerinnen so gut wie nie aus Frauenhass, also ›weil sie eine Frau sind‹ – auch wenn das gebetsmühlenartig behauptet wird. Sondern sie töten sie, weil sie eine ganz bestimmte Frau sind: ihre Partnerin oder Ex-Partnerin.« Außerdem spiele das Strafmaß bei der Verhinderung von Femiziden kaum eine Rolle, »denn für die Frage, ob jemand vor einem Tötungsdelikt zurückschreckt, ist es irrelevant, ob dafür 30 Jahre oder lebenslange Freiheitsstrafe drohen oder die Todesstrafe«.

Feministische Kritik besteht darauf, die patriarchale Dimension von Femi­ziden nicht unter den Tisch zu kehren. Auch wenn das Opfer nicht beliebig ist, kann das Motiv für die Tötung ein allgemeines sein. Das Autor:innenkollektiv Fe.in schreibt in dem Buch »Frau­en*Rech­te und Frauen*Hass«, bei einem Femizid im engeren Sinn handele es sich um die vorsätzliche Tötung einer Frau »aufgrund eines angeblichen Verstoßes gegen die sich aus Traditionen und sozialen Normen ergebenen Rollenbilder von Männern und Frauen«. Ob die Abweichung nun darin besteht, religiösen Erwartungen nicht gerecht geworden zu sein, ihren Mann verlassen oder sich mit Freunden verabredet zu haben – die Abweichungen sind kontextabhängig, sie mit dem Tod bestrafen zu wollen aber Kennzeichen brutalen Frauenhasses.