Aufstieg, Krise und Fall der Glosse

Bloß nicht bei Lanz landen

Perfekten Genuss erleben. Was die Kolumne im Zeitalter der SEO-Agenturen taugt.
Perfekten Genuss erleben Von

Warum und wofür gibt es eigentlich noch: Kolumnen? In den goldenen Print-Jahrzehnten war es vielleicht mal kühn, ein Statussymbol gar, sich neben toughem Schwarzbrotjournalismus und gediegenen Edelmeinungen auch Autor:innen zu leisten, die nichts von beidem hatten, also weder knallhart recherchierten Faktenjournalismus noch belastbare, wohlabgewogene Globalperspektiven. Da holte man sich Leute vom Nebengleis, irgendwie weirde Gestalten, die ein bisschen originell, übersteuert oder Alkoholi­ker:innen waren, und gewann noch Glanz durch den Kontrast zum übrigen Programm. Es war quasi die Outsider-Art des Journalismus, oft wurde auch mit dem perniziösen Präfix »Kult-« gearbeitet, während eigentlich bloß Unterhaltung abgeliefert wurde, Heiteres zum Schmunzeln und zum Stirnrunzeln.

Interessanterweise war die Kolumne als Form stets im Aufwind während des langen Siechtums erst des Print-, dann des Online-Journalismus. Ja, es ist sogar fast ein zweiter Bildungsweg geworden: Erst ist man ungelerntes Social-Media-Phänomen, dann wird einem die Kolumne angeboten, schließlich kommt dann der erste Buch- oder Böhmervertrag – und als Krönung sitzt man irgendwann bei »Markus Lanz«. ­Dagegen kann der klassische Journalistenschulenjournalist, der zehn Jahre im Krisengebiet war, um jetzt Bildunterschriften auf SEO drechseln zu müssen, schlicht einpacken! Von Outsider:innen kann da schon längst keine Rede mehr sein, die Kolumne ist der König:innen­weg einer Medienöffentlichkeit, deren Auflösung ihren Aufstieg begünstigte: Entbunden von der Pflicht zur strengen Recherche wie zur ­mittigen Meinung spricht noch aus der progressivsten Kolumne der Wille zur Propaganda, des Scheiß­drauf, des Prodomo. Statt Meinung hat man Haltung, statt Fakten »mein Taxifahrer meinte neulich auch«, und beansprucht damit unendlich mehr Geltung als die fünfzehnmal gegengecheckte DPA-Nachricht. Die Nebensache frisst die Hauptsache.

Dass dies dieser Kolumne nicht geschehen konnte, sie immerhin schon seit zehn Jahren in absoluter Erfolglosigkeit vor sich hindümpelt, erfüllt den Verfasser daher mit ­bescheidenem Stolz. Und um auch jede Möglichkeit eines Doch-noch-Durchbruchs auszuschließen, macht er sie hier an dieser Stelle zu. Vielen Dank fürs Einschalten und Mitdümpeln!

An dieser Stelle schreibt Leo ­Fischer über seine persönlichen Erfahrungen in der Welt des ­Konsums. Seine Erlebnisse und Meinungsäußerungen erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.