Die Kampagne für eine Abwahl des Oberbürgermeisters von Frankfurt am Main

Eine Stadt sieht schwarzweiß

In Frankfurt am Main findet ein Bürgerentscheid über den in Misskredit geratenen Oberbürgermeister Peter Feldmann statt. Die Chancen für dessen Abwahl stehen jedoch schlecht.

Am Sonntag wird in Frankfurt am Main gewählt. Rund 500 000 Wahlberechtigte dürfen darüber abstimmen, ob Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) im Amt bleiben kann. Feldmann ist seit 2012 Oberbürgermeister der Stadt, seine Amtszeit endet eigentlich erst 2024. Am 14. Juli stimmten jedoch die Stadtverordneten im Römer, dem Sitz des Frankfurter Stadtparlaments, parteiübergreifend und mit einer satten Zweidrittelmehrheit für seine Abwahl. Feldmann hätte das Votum freiwillig akzeptieren können. Da er es nicht tat, kommt es nun zum Bürgerentscheid.

Feldmann hat einiges dafür getan, sich unbeliebt zu machen. Derzeit läuft vor dem Frankfurter Landgericht ein Verfahren gegen ihn wegen Vorteilsnahme. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine guten Beziehungen zur Arbeiterwohlfahrt (Awo) ausgenutzt zu haben: Die ehemalige Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbands Wiesbaden, Hannelore Richter, soll seine mittlerweile von ihm getrennte Frau, Zübeyde Feldmann, als Leiterin einer Kindertagesstätte der Awo eingesetzt haben, obwohl diese dafür nicht qualifiziert war. Zudem habe sie ein unüblich hohes Gehalt bezogen und einen ebenso unüblichen Dienstwagen erhalten. Richter soll zudem 2018 bei Mitarbeitern der Awo um Spenden für Feldmanns Wahlkampf geworben haben. Im Gegenzug habe er sich bereit erklärt, die Awo in seiner Position als Oberbürgermeister zu bevorzugen.

Unter den Funktionären, die für die Abwahl des Oberbürger­meisters Feldmann werben, kennt man offenbar keine Parteien mehr, sondern nur noch Frankfurter.

Mitte Mai geriet Feldmann bundesweit in die Schlagzeilen: Als der Fußballverein Eintracht Frankfurt den Sieg in der Uefa Europa League feierte, trugen Kapitän Sebastian Rode und Trainer Oliver Glasner den Pokal in Richtung wartender Fans. Feldmann nahm den beiden den Pokal ab und stellte sich selbst in den Mittelpunkt – in seiner anschließenden Rede sprach er dann die Namen einiger Spieler falsch aus. Nicht wenige Frankfurter dürften ihm diesen unprofessionellen Auftritt übler genommen haben als die mutmaßliche Korruption.

Wenige Tage später wurde ein Video öffentlich, das ihn im Flugzeug auf dem Weg zum Europa-League-Finalspiel in Sevilla zeigt, wie er über einen Lautsprecher sagt: »Ich habe hier eine Ansage sowohl vom Bodenpersonal als auch hier von den Flugbegleiterinnen, die mich hormonell am Anfang erst mal außer Gefecht gesetzt haben.« Feldmann entschuldigte sich zwar eiligst, konnte aber nicht mehr ­abwenden, dass sich seine sexistische Äußerung zum Skandal entwickelte. Die Koalition im Römer aus Grünen, SPD, FDP und Volt beantragte schließlich seine Abwahl. Der Kampagne für den Bürgerentscheid schloss sich auch die Fraktion der oppositionellen CDU an.

Kritik kam einzig von links. Gegen den Antrag stimmten die Abgeordneten von Linkspartei, »Die Partei« und Piratenpartei sowie die gemeinsame Fraktion von Öko-Linx/Antirassistische Linke und der Europa-Liste für Frankfurt (Öko-Linx-Elf). Die Kreisvorsitzenden der Linkspartei, Martina von Holst und Axel Gerntke, bemängelten, dass »alle über Feldmann sprechen und die wirk­lichen Fragen nicht auf den Tisch kommen«. Ihre Partei unterstützt derzeit Proteste gegen die hohen Preise für Energie und Lebensmittel. Jutta Ditfurth, Stadtverordnete für Öko-Linx-Elf, mutmaßte, dass Feldmanns Verfehlungen nicht der tatsächliche Grund der Abwahlbemühungen seien: »CDU, FDP und größere Teile der feinen Gesellschaft Frankfurts haben sich nie damit abgefunden, dass ein linker Sozialdemokrat Oberbürgermeister von Frankfurt geworden ist«, sagte sie im Juni in einer Rede im Frankfurter Römer. Für Feldmann spreche, »was seine Gegner:innen an ihm am meisten hassen: seine soziale Seite, seine frühere Arbeit in Brennpunkten, im Jugendzentrum, in Altenhilfeeinrichtungen, sein heutiges Engagement für kosten­lose Kinderbetreuung, für bezahlbare Mieten«, so Ditfurth.

Außergewöhnlich an der Abwahlkampagne der von Ditfurth so bezeichneten »feinen Gesellschaft Frankfurts« gegen Feldmann ist nicht nur die Breite des Bündnisses, sondern auch dessen Auftreten: Das am häufigsten anzutreffende Plakat ist in Schwarzweiß ge­halten, die Parteilogos am unteren Bildrand sind kaum unterscheidbar. Auf ihm prangt der Slogan: »Für ein Kreuz vergessen wir mal alle Farben.« Unter den Funktionären kennt man offenbar keine Parteien mehr, sondern nur noch Frankfurter. Man sollte dem Anti-Feldmann-Bündnis dankbar dafür sein, wie unverblümt es ein sonst gut gehütetes Geheimnis ausplaudert: dass es nicht allzu sehr darauf ankommt, ob man SPD, Grüne, CDU, FDP oder Volt wählt – zumal in der Lokalpolitik, wo der Verwaltungsalltag politische Differenzen eher verwischt.

Scheitert die Abwahl, bleibt Feldmann wohl bis 2024 auf seinem ­Posten. Die Zusammenarbeit mit den Stadtverordneten dürfte allerdings nicht leichter werden. Hat der Bürger­entscheid Erfolg, scheidet Feldmann am Tag nach Bekanntgabe des Ergebnisses aus dem Amt. Da er sich wegen der Korruptionsvorwürfe vor dem Landgericht verantworten muss, gibt es noch eine weitere Möglichkeit: Sollte er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt werden, wäre er seinen Posten ebenfalls los. In beiden Fällen müsste innerhalb von vier Monaten ein neuer Oberbürgermeister gewählt werden.

Die Chancen für eine Abwahl stehen indes schlecht, denn die Hürden sind hoch: Mindestens 30 Prozent aller Wahlberechtigten müssten gegen Feldmann votieren. Zum Vergleich: Bei der Oberbürgermeisterwahl 2018 gaben nur 37,6 Prozent der Wahlberechtigten im ersten Wahlgang ihre Stimme ab. Aufschlussreich ist dabei die Wahlbeteiligung in den verschiedenen Stadt­teilen. In den Eigenheimbezirken Harheim und Nieder-Erlenbach gingen über die Hälfte der Wahlberechtigten wählen, im ehemaligen Industrieviertel Griesheim nicht einmal ein Viertel. Wie überall sind es die Armen, die wissen, dass sich für sie der Weg zur Urne nicht lohnt. Gut möglich also, dass die nicht so feine Gesellschaft Frankfurts den linken Sozialdemokraten Feldmann durch bloßes Nichtstun im Amt hält.