Das Walross Freya zeigt zu viel ­Appetit auf Menschen

Gefundenes Fressen

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Freya hatte das Zeug, zur international Begeisterung weckenden tierischen Herzenswärmer-Geschichte des Sommers zu werden: Ein moppeliges, sehr eigensinniges Walross, das sich in den Oslofjord verirrt hat und dort fortan so lebt, wie es ihm gefällt, was sollte da schon groß schiefgehen?

Zumal es so hübsche Fotos gab, auf denen Freya zu sehen war, wie sie sich auf fremden Booten aalte. Freya mag nämlich Wasserfahrzeuge und findet, dass sie alle ihr gehören. Und sie deswegen das Recht hat, wann immer ihr danach ist, in eines der im Fjord ankernden Boote zu robben (oder zu walrossen) und sich dort niederzulassen. Wenig überraschend kamen erste Freya-kritische Bemerkungen von Bootsbesitzern, die darauf hinwiesen, dass das tonnenschwere Tier kein rücksichtsvoller Gast sei, sondern alles kaputtmache. Plus: Alles vollkackt, denn natürlich geht Freya nicht extra ins Wasser, wenn sie mal muss.

Die Beschwerden der Bootsleute stießen zunächst auf wenig Sympathie, was sich schnell änderte, als Freya einen Schwan jagte und aufaß, vor den Augen entsetzter Kinder und ihrer Eltern, die dem Nachwuchs eigentlich bloß das putzige Walross zeigen wollten und nicht etwa allgemein das im Tierreich übliche Fressen und Gefressenwerden. Zu diesem Zeitpunkt hatten Biologen schon gefordert, Freya zu töten, weil sie zu einer großen Gefahr werden könne und außerdem in Norwegen dauernd Tier erschossen würden, da käme es auf ein Walross auch nicht mehr an. Es folgte Empörung über derartige Herzlosigkeit, die sich aber wieder legte, nachdem Freya vorige Woche versucht hatte, einen kleinen Jungen zu essen, der mit seinem Vater schwimmen gegangen war. Und ein paar Tage später eine Frau verfolgt hatte, die sich mit knapper Not vor dem offenkundig sehr hungrigen Tier an Land retten konnte und hernach angab, Freya sei ihr so nahe gekommen, dass sie ihre großen, gelben Zähne habe sehen können. Norwegen, kein Freya-Märchen.