Pandemie, Erderwärmung und ­Ukraine-Krieg schüren die deutsche Angstlust am Untergang

Die Flucht in den Mythos

Zwischen Pandemie und Erderwärmung weckt der Krieg in der Ukraine bei vielen Deutschen Weltuntergangsängste und Sehnsucht nach der Apokalypse, in der die Lebenslügen des neoliberalen Zeitalters platzen.

Der russische Angriff auf die Ukraine ist offensichtlich mehr als ein Krieg. Als gehörte ein Krieg nicht ohnehin zum Schrecklichsten, was Menschen anderen Menschen antun können, ist dieser auch noch eine »Zeitenwende«. So bezeichnete ihn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Eine Zeitenwende ist dem Duden zufolge »das Ende einer Epoche oder Ära und der Beginn einer neuen Zeit«. Dazwischen liegt in aller Regel eine große Katastrophe, ein gewaltiger Bruch, der Untergang einer Welt. In der Zeitenwende steckt beides, Apokalypse und Entscheidungskampf. Was will jemand, der die Zeitenwende beschwört? Untergang, Entscheidung, Neuanfang – alles in einem, vielleicht.

Eine Erzählung, immerhin, geht zu Ende, und zugleich herrscht ein großer assoziativer Wirrwarr, kommen Gespenster aus der Vergangenheit, ist das Szenario eines dritten Weltkriegs nahe, scheinen Angst, Hunger und Kälte auch am eigenen Leib wieder denkbar, oder zumindest schmerzliche Benzinpreise und Nudelknappheit. Der Untergang eines Landes droht, aber auch der Untergang einer Weltordnung. Und wenn es keine »Ordnung« war, so vielleicht doch eine Art Ba­­lance, eine Unternehmung oder wenigstens ein Raum für Wünsche, Projek­tionen, Gewinne. Eine sogenannte Erzählung eben. Die dritte Erzählung der Apokalypse in jüngster Zeit, zwischen Pandemie und Erderwärmung.

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