Cat Powers Album »Covers« enthält ausschließlich Coverversionen

Warm gemacht

Unter dem Namen Cat Power hat die Musikerin Chan Marshall nicht nur ihre eigenen Kompositionen, sondern auch eine Menge an Coverversionen veröffentlicht. Ihr neues Album »Covers« besteht gar nur aus solchen, bleibt aber in puncto Radikalität hinter ihren früheren Neuinterpretationen zurück.

Wenn Musikerinnen die Songs ihrer männlichen Kollegen interpretieren, bekommt die Cover-Version oft einen besonderen Reiz. Ein gutes Beispiel dafür ist »Rock ’n’ Roll«, eigentlich ein Lied von The Velvet Underground, geschrieben von Lou Reed. Es geht um Jenny, ein junges Mädchen, das immer gelangweilt ist, doch dann machte sie das Radio an, lauschte einer »New York Station« und »her live was saved by Rock ’n’ Roll«. Für ihr Debütalbum nahmen die Runaways den Song 1976 wieder auf, und niemand Geringeres als Joan Jett singt nun die Geschichte von Jenny, die von der Musik aus dem Radio gerettet wurde und deren Leben ganz offensichtlich einige Parallelen zu Jetts eigenem Leben aufweist. Das Lied der Runaways gewinnt hier durch den simplen Umstand, dass es von Frauen gesungen und eingespielt wird, eine neue Ebene. Es wird nicht authentischer, was bei dem billigen Hard Rock, den die Runaways spielten, eh nicht möglich ist. Vielmehr ist es die kokette, feministische Geste der Aneignung, die den zweiten Aufguss des Songs so interessant macht.

Im Laufe des Albums klingt der gut produzierte Indie-Pop immer steriler – mit dem Ergebnis, dass sich Marshall dann bei Klassikern wie »These Days« von Nico oder »I Had a Dream, Joe« von Nick Cave and the Bad Seeds die Zähne ausbeißt.

Ein anderes Beispiel für solch eine feministische Aneignung wäre das Lied »Psychic Hearts«, eigentlich ein 1995 erschienener Song von Sonic-Youth-Gitarrist Thurston Moore, der auf seiner ersten, nach dem Song benannten So­loplatte zu finden ist. Ein Jahr später nahm eine junge Musikerin den Song erneut auf, dieses Mal aber nicht mit großem Rock-Tamtam, sondern mit brüchiger Stimme und allein von einer schrammelig gespielten Akustikgitarre ­begleitet. Der Text des Lieds dreht sich um ein junges Mädchen, deren Geschichte von Moores Alter Ego erzählt wird und der ihr Mut zuspricht, denn ihr Leben ist eine einzige Katastrophe – Eltern scheiße, Mitschüler scheiße, eigentlich sind alle zum Kotzen. In Moores Version hört man den brüderlichen Freund der jungen Frau sprechen, in der zweiten Version aber meint man, es tatsächlich mit ihr zu tun zu haben.

Diese Version stammt von Chan Marshall, besser bekannt unter ihrem Bühnennamen Cat Power, und es war nicht die letzte Coverversion, die sie aufnehmen sollte. Mehr noch: Ihr künstlerisches Können zeigte sich immer genau bei diesen Covern. Tatsächlich ist Marshall an die Grenzen dessen gegangen, was es heißen kann, ein bereits existierendes Lied neu zu interpretieren. An diese Grenzen begab sie sich ebenfalls 1996, als sie für ihr wohl bestes Album »What Would the Community Think« den Song »Bathysphere« aufnahm: ein tieftrauriges Lied über ein kleines Kind, das sich wünscht, in einer Tiefseekugel zu wohnen. Text und Musik stammten von Bill Callahan, seine Version von »Bathysphere« war ein Jahr zuvor unter seinem damaligen Künstlernamen Smog erschienen. Der Twist: Callahan und Marshall waren zu der Zeit ein Liebespaar. Und noch ein Twist: Marshall machte aus Callahans Song einen wegen des fiependen Synthesizers fast schmerzhaft zu hörenden Alptraum.

Vier Jahre später, im Jahr 2000, erschien dann »The Covers Record«, ein Album, auf dem, wie der Titel schon sagt, jeder Song ein Cover war. Äußerst spärlich instrumentiert sind die Stücke, nur von akustischer Gitarre oder Klavier begleitet sang Marshall hier große Stücke der Popgeschichte wie »(I Can’t Get No) Satisfaction« von den Rolling Stones oder das von Dimitri Tiomkin und Ned Washington geschriebene »Wild Is the Wind«, das schon zuvor Nina Simone und auch David Bowie gecovert hatten. Auch eine andere, noch radikalere Art des Cover lässt sich hier finden: Ihr 1996 erstmals erschienenes Lied »In This Hole« nahm sie für »The Covers Record« neu auf, später dann coverte sie sich erneut selbst und verwandelte ihren melancholischen Indie-Hit »Metal Heart« von 1998 zehn Jahre später in einen souligen Big-Band-Kracher, der auf dem Album »Jukebox« erschien, ebenfalls eine Platte, die komplett aus Cover-Versionen bestand.

Und noch immer covert Chan Marshall sehr gerne, nur die smarten Albentitel scheinen ihr ausgegangen zu sein; ihr neues Album, auf dem sich nun schon zum dritten Mal in ihrer Diskographie ausschließlich von ihr interpretierte Lieder anderer Musiker finden lassen, trägt den dann doch etwas zu schlicht geratenen Titel »Covers«. Geplant war das Ganze nicht, wie Marshall der Pretenders-Sängerin Chrissie Hynde in einem Gespräch für das Magazin Interview verriet: Um ihre Band bei ­einer Studiosession aufzulockern, improvisierten sie gemeinsam, ohne Lyrics für die Stücke zu haben; Marshall sang dann einfach spontan die anderen Lieder.

Die Auswahl der Cover ist ein wenig irritierend: Die Reihe der Originalinterpreten reicht vom avantgardistischen Rapper Frank Ocean über die Popsängerin Lana Del Rey und den Rocker Bob Seger bis hin zu den Klassikern wie Nico, Iggy Pop, Nick Cave und Billie Holiday. Es sind allerdings meist nicht die bekanntesten Lieder der jeweiligen Interpreten, derer sich Marshall annimmt – aber mitunter diejenigen, die für deren Werk zentral sind. Immerhin ist »Bad Religion« von Ocean sein musikalisches Outing als Bisexueller; in dem Lied klagt der Protagonist einem homophoben Taxifahrer sein Leid über eine unerwiderte Liebe. Oceans Songwriting ist faszinierend (»It’s a bad religion / This unrequited love / To me, it’s nothing but a one-man cult / And cyanide in my styrofoam cup«), sein musikalischer Stil, der etwas zu überkandidelt und gewollt daherkommt, ist es nicht. Marshalls Sound auf »Covers« ist eingängig und glatt, mit Oceans Song funktioniert das ganz gut, auch mit »White Mustang« von Lana Del Rey, aus ähnlichen Gründen.

Im Laufe des Albums klingt dieser gut produzierte Indie-Pop allerdings immer steriler – und führt dazu, dass sich Marshall dann bei Klassikern wie »These Days« von Nico oder »I Had a Dream, Joe« von Nick Cave and the Bad Seeds die Zähne ausbeißt und nur noch nach Schema F vorgeht. Vor allem bei Nico wird das offensichtlich: Marshall versucht zwar, anders zu intonieren als Christa Päffgen, folgt aber sonst Tempo und Melodie ihres Vorbilds. Das Ergebnis ist dann vielmehr ein Nachträllern als eine Hommage oder gar eine eigene Version des Liedes. Das Lied »Pa Pa Power«, eigentlich von Dead Man’s Bones, ist wiederum schon seit Jahren Teil von Marshalls Repertoire bei Live-Auftritten.

Das Beeindruckende an Cat Powers »The Covers Record« war, dass sie sich hier radikal reduziert der ganz großen Musiker annahm. The Rolling Stones, The Velvet Underground, gleich zwei Songs von Bob Dylan: Mit ihrem zerbrechlichen Selbstbewusstsein gemeindete sie die Songs in ihr Konzept der möglichst minimalen Instrumentierung ein und schuf dabei einen solch unverkennbaren Sound, dass Lieder wie »Sea of Love« des Singer-Songwriters Phil Phillips oder »Naked, If I Want To« der Sechziger-Rockband Moby Grape von da an für Originalkompositionen von Chan Marshall gehalten wurden. Mit den Songs auf »Covers« wird das nicht passieren, muss es aber ja auch nicht. Vielleicht ist es so, wie Marshall im Interview mit Chrissie Hynde gesagt hat: »Covers«, das war nur eine (schöne und kurzweilige) Übung zum Aufwärmen – und vielleicht kommt das nächste Album dann ohne ein einziges Cover aus.

Cat Power: Covers (Domino)