In Portugal wird gegen einen geplanten Lithiumtagebau protestiert

Protest hinter den Bergen

In Nordportugal soll Lithium für Autobatterien abgebaut werden. Die Interessen von Politikern und Bergbaukonzernen widersprechen jedoch denen eines Großteils der lokalen Bevölkerung.
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Die Nachfrage nach Lithium steigt. Das Leichtmetall wird für den Bau von Batterien benötigt und befindet sich deshalb nicht nur in Laptops und Smartphones, sondern auch in Elektroautos. Weil deren Produktionszahlen weltweit rapide steigen, ist der Lithiumpreis nach einem kurzen pandemie­bedingten Zwischentief auf Rekord­höhen geschnellt. »Große Sorge bereitet die Frage, wo die Lithiumversorgung in der nahen Zukunft herkommen wird«, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich einen Analysten des Branchendiensts Benchmark Mineral Intelligence.

Die Bewohner von Covas do Barroso fürchten nicht nur den denLärm der Explosionen beim Lithium­tagebau, sondern vor allem gesundheitsschädlichen Staub und Verschmutzung des Grundwassers.

2020 wurden weltweit etwa 82000 Tonnen des Metalls produziert; die Menge dürfte bis 2024 jährlich um 25 Prozent wachsen, schätzen Marktanalysten. Denn weltweit konkurrieren die großen Bergbaukonzerne, aber auch kleinere Start-ups, um die Erschließung bisher ungenutzter Lithiumlagerstätten. Die meisten Lithiumminen befinden sich derzeit in Australien, Chile, China und Argentinien. Doch die EU will unabhängiger von ausländischen Rohstofflieferanten werden, seit September vergangenen Jahres steht Lithium auf der ­EU-Liste der »kritischen Rohstoffe«. Deshalb sollen auch in EU-Mitgliedsstaaten Lithiumminen entstehen.

Zum Beispiel die Mina do Barroso in den malerischen Hügeln Nordportugals. Stattliche 175000 Tonnen lithiumhaltigen Spodumenkonzentrats will der Bergbaukonzern Savannah Resources, der bisher nur Tagebau in Mosambik betreibt, hier bald jährlich produzieren. Der Konzern wolle »Europa durch die Mina do Barroso eine strategisch wichtige lokale, langfristige und sichere Quelle von Lithiumrohstoff zur Verfügung stellen«, sagte der Geschäftsführer David Archer im April. Portugal könne sich »an der Spitze der Lithiumförderung positionieren«, pries er Ende August sein Projekt an. Savannah würde zum ersten großen Lithiumproduzenten in Westeuropa aufsteigen.

Doch gegen das Vorhaben regt sich Protest, ein Großteil der lokalen Bevölkerung befürchtet Landschaftszerstörung und Umweltschäden. Der 593 Hektar große geplante Tagebau liegt im Gebiet der Gemeinden Dornelas (Boticas) und Covas do Barroso in der früheren Provinz Trás-os-Montes (Hinter den Bergen). Hier sollen vier große Krater ausgehoben werden, ­einer davon nur wenige Hundert Meter von Wohnhäusern entfernt. Der por­tugiesischen umweltpolitischen NGO Fundação Montescola zufolge soll der größte einen Durchmesser von über einem halben Kilometer haben und 150 Meter tief sein.

Rund 800 Arbeitsplätze verspricht das Unternehmen in den abgelegenen Gemeinden zu schaffen; Covas do ­Barroso hat knapp 300 Einwohner, Dornelas 500. Seit den achtziger Jahren galt Trás-os-Montes als Armenhaus Portugals, in den vergangenen Jahren war die Gegend geprägt von Landflucht und Überalterung. Wie viele Mitarbeiter das Unternehmen vor Ort anwerben und wie viele Fachkräfte es national und international rekrutieren will, ist unklar. Aber mit dem Versprechen von Arbeitsplätzen konnte sich Savannah zumindest die Unterstützung der lokalen Politik sichern. Lokale und regionale Bewerber hätten Präferenz, teilt der Konzern auf Anfrage mit. Auch die portugiesische Regierung unter dem sozi­aldemokratischen Ministerpräsidenten António Costa (Partido Socialista, PS) will die Lithiumproduktion fördern, um von der geplanten Entkarbonisierung der EU-Wirtschaft zu profitieren.

Doch seit zwei Jahren demonstrieren Teile der Bevölkerung gegen den geplanten Tagebau, es gibt Protestcamps und -märsche. Viele leben hier von ökologischer Landwirtschaft oder Viehzucht in Kleinstbetrieben, die Region wurde von der Welternährungsorganisation der UN als Weltagrarkulturerbe anerkannt. Auch der Wandertourismus in der nordportugiesischen Natur bringt Geld in die Gemeinden. All das sehen viele durch den geplanten Lithiumtagebau gefährdet. »Nein zur Mine, ja zum Leben« ist einer der Slogans auf ihren Protestbannern. Im Weideland bei Covas do Barroso hat man in über­dimensionalen Lettern »Help« in die Wiese gemäht.

Die Auseinandersetzung spitzt sich derzeit zu, denn Savannah will bereits im kommenden Jahr mit dem Bau und im Jahr darauf mit der Förderung beginnen. Neben Landschaftszerstörung und Umweltschäden fürchten die ­Bewohner nicht nur den den Lärm der Explosionen beim Lithiumtagebau, sondern vor allem gesundheitsschädlichen Staub, Wasserverschwendung, Verschmutzung des Grundwassers. Die portugiesische Regierung veranlasste kürzlich eine behördliche Umweltverträglichkeitsprüfung, bei der auch ­Anwohner den Behörden ihre Meinung mitteilen konnten. Das Ergebnis soll im November bekannt gemacht werden. Sollte es positiv ausfallen, stünde dem Baubeginn nichts mehr entgegen.

Catarina Alves, die Vorsitzende der lokalen Protestbewegung Associação Unidos em Defesa de Covas do Barroso, sieht sich im Kampf mit mächtigen Gegnern in Politik und Wirtschaft. »In der portugiesischen Regierung hat sich eine Lithium-Lobby festgesetzt«, sagte sie am Sonntag der linken spanischen Zeitung El Salto, die täglich online erscheint und einmal monatlich auf Papier. Alves beklagt eine »Kampagne der Desinformation im staatlichen und privaten Fernsehen und der Presse«. Savannah versuche, sich als sozial verantwortungsvoll darzustellen. Doch gegen den »drohenden Ökozid«, den die Regierung zugunsten kurzfristiger Gewinne zulasse, müsse sich Widerstand organisieren. Man werde von vielen Organisationen unterstützt, auch von den portugiesischen Grünen.

Savannah verspricht, der Tagebau werde »minimalen Einfluss auf die Umwelt« haben. »Mittelfristig wollen wir auf dieselbetriebene Schwerlaster verzichten und kleinere, elektrisch betriebene Fahrzeuge im Stil eines Schwarms einsetzen«, sagt Archer der Jungle World. »Das wird den CO-2-Fußabdruck der Barroso-Mine signifikant auf ein Minimum senken.« Und wenn in einigen Jahren die Minen erschöpft seien, werde man in den Löchern Baggerseen anlegen, die zur Speicherung erneuerbarer Energie verwendet werden könnten.

Diese künstlichen Seen könnten womöglich auch für touristische Zwecke genutzt werden, heißt es in einem auf Youtube veröffentlichten Video der Firma. »Green mining« will die Firma betreiben. Auch die EU-Kommission, die nach knapp zwei Jahrzehnten, in denen viele Minen in Europa geschlossen wurden, nun wieder verstärkt auf eigenem Terrain Bodenschätze fördern will, verwendet diesen Ausdruck, der suggeriert, Bergbau könne umweltschonend stattfinden. Doch der umwelt­politischen portugiesischen NGO Quercus zufolge würden allein Bau und Betrieb jeder Lithiummine 1,79 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verursachen, die Barroso-Mine sogar 2,43 Millionen Tonnen pro Jahr. Der Begriff »green mining« überspielt das.

»Lithium ist nur eine Übergangslösung, und der Boom wird nicht ewig halten, maximal 20 Jahre. Damit lässt sich das Weltklima sicher nicht retten«, sagt Mario Klammer im Gespräch mit der Jungle World. Der österreichische Unternehmer vertreibt mit der von ihm gegründeten EVM AG aus Liechtenstein Elektroautos, Busse und Taxis aus asiatischer Produktion. Die Zukunft sieht er in Graphenbatterien und Akkus aus Natriumionen; Natrium sei billig und überall vorhanden. Bergbauvorhaben wie das in Barroso sieht er kritisch: »Bei No-name-Glücksrittern (Bergbau-Start-ups wie Savannah, Anm.d.Red.), die nur auf das schnelle Geld aus sind, zieht die Natur den Kürzeren, und schlussendlich muss der Staat, und das heißt wir alle, die Zeche zahlen.«

Die portugiesische Regierung hat indes noch weiterführende Pläne zum Ausbau des Bergbaus, inklusive einer sogenannten nationalen Lithiumstra­tegie. Bodenschätze seien ein Allgemeingut, ihre Förderung im nationalen ­Interesse, deshalb könnten Gemeinden kein bindendes Veto gegen ihre Förderung einlegen, argumentiert das Umweltministerium unter João Pedro Matos Fernandes. Die Regierungen von Portugal und Spanien planen außerdem, gemeinsam mit Unternehmen in der gesamten Region Wertschöpfungsketten vom Rohstoffabbau über die Batterieproduktion bis zur Fer­tigung von Elektroautos zu etablieren.

Doch der Widerstand in Barroso ist nicht chancenlos. Proteste der Bevölkerung verhinderten in Spanien zumindest vorläufig ein großangelegtes Vorhaben, Lithium unweit der Stadtgrenze von Cáceres in der Region Extremadura abzubauen. Auch eine geplante Uranmine bei Retortillo in der Region Salamanca, gegen die Umweltschützer protestiert hatten, wurde im Juli von der Regierung nicht genehmigt. Derzeit konzentriert sich in der spanischen Extremadura der Protest der Bevölkerung im kleinen Dorf Cañaveral in den weiten, kargen Ebenen zwischen Cáceres und Mérida, wo ebenfalls eine Lithiummine geplant ist. Je mehr die EU darauf dringt, Rohstoffe wieder im eigenen Wirtschaftsraum zu gewinnen, desto häufiger wird es zu solchen Konflikten kommen.