Notizen aus Neuschwabenland - Die Neue Rechte sinniert über eine Wahlstrategie für die AfD

Hoffnungsfall Sachsen

Interne Streitigkeiten, Ärger mit dem Verfassungsschutz, und das in einem wichtigen Wahljahr – die Neue Rechte macht sich Gedanken zur Strategie der AfD.
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Die AfD und ihr Umfeld diskutieren über erfolgversprechende Strategien und mögliche Hindernisse im wei­teren Wahljahr 2021. Der Ausgang der Landtagswahlen vom Wochenende, bei denen die Partei in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Vergleich zu den Wahlen 2016 Einbußen erlitt, in beiden Fällen weniger als zehn Prozent der Wählerstimmen erhielt und jeweils die größte Verliererin war, zeigt, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Die Anfang März durch eine »Indiskretion« bekanntgewordene Hochstufung der AfD vom Prüf- zum Verdachtsfall des Inlandsgeheimdiensts schlägt weiterhin Wellen. Bislang galt nur der völkisch-nationale Flügel der Partei bundesweit als zur Beobachtung freigegeben (Jungle World 5/2021), mittlerweile scheint das Verfahren bundesweit auf die Gesamtpartei ausgedehnt worden zu sein.

Doch kaum war die Nachricht nach außen gedrungen, wurde die Behörde gerichtlich gestoppt. Das Verwaltungsgericht Köln untersagte dem Bundesamt für Verfassungsschutz weitere Maßnahmen und Äußerungen, ehe nicht ein von der Partei umgehend angestrebtes Verfahren entschieden sei. Vor allem legte das Gericht den Schluss nahe, dass der Geheimdienst selbst Quelle der eigentlich vertraulichen Information gewesen sei. Zumindest habe er nicht »hinreichend Sorge getragen«, dass die Information intern geblieben sei, wurde das Gericht zitiert. Einen peinlicheren Vorwurf als den, ein Geheimnis nicht wahren zu können, dürfte es für einen Geheimdienst kaum geben.

Einige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes meinen es offenbar gut mit der AfD. Erst wenige Wochen zuvor war ein interner Arbeitsbericht des Berliner Landesverfassungsschutzes über die dortige AfD an die Partei geschickt worden. Der Leiter des Referats »Rechtsextremismus« wurde infolge des Geheimnisverrats freigestellt. Für die AfD sind solche undichten Stellen Glücksfälle. Durch Kenntnisse der Behördeninterna kann sie sich auf mögliche Angriffe einstellen und zugleich wegen der Lecks mit guten Erfolgsaussichten vor Gericht ziehen. Einigermaßen verstanden wurden die Signale etwa von der Jungen Freiheit, die als publizistisches Sprachrohr der Parteikreise um den Vorsitzenden Jörg Meuthen etabliert ist. Dort weiß man, dass Koalitionen mit der CDU nach dem Abgang Angela Merkels nur möglich sein werden, wenn der behördliche »Extremismusstempel« verschwindet, und mahnt deshalb zur Disziplin.

Die völkische Fraktion der AfD stört die Blattlinie des Chefredakteurs der Zeitung, Dieter Stein, schon lange. Wie alle Fundamentalisten haben Autoren der neurechten Zeitschrift Sezession Schwierigkeiten, Freunde zu erkennen, wenn diese nicht voll und ganz auf dem eigenen Kurs sind. Daher läuft die Abrechnung mit »gemäßigten« Wi­dersachern und einstigen Kampfgefährten aus AfD und Junger Freiheit auf Hochtouren. Vor allem stört man sich an der Präsenz des Politologen Werner Patzelt, der der Partei seit Jahren Ratschläge gibt. Mit dem CDU-Mitglied Patzelt habe sich Stein einen Autoren geholt, der im Interesse des Systems arbeite, schrieb der Chefredakteur der Sezession, Götz Kubitschek, sinngemäß. Als mahnendes Beispiel für verfehlte Mäßigung wird in der Zeitschrift auch der einst bewunderte Vorsitzende der italienischen Partei Lega, Matteo Salvini, bemüht. Der durch scharfe antieuropäische Rhetorik bekanntgewordene, rechtsaußen zu verortende Politiker will in seiner Partei derzeit eine EU-freundliche Koalitionspolitik mit der gemäßigten Rechten Italiens durchsetzen. Doch so etwas koste nur Wählerstimmen, lautet der Tenor in der Sezession.

Kubitschek goutierte hingegen, dass die völkisch-nationalen Kandidaten sich bei der Aufstellung der sächsischen AfD-Kandidaten für die Bundestagswahl auf den sicheren Listenplätzen durchsetzen konnten. Seine Häme traf vor allem Michael Klonovsky. Der war tatsächlich schon Diener vieler Herren und wollte sich, obwohl als Redenschreiber von Alexander Gauland angestellt, in Sachsen als Anhänger Meuthens profilieren. Kubitschek war jedoch aufgefallen, dass die Gegner der AfD als gemäßigt geltende Kandidaten wie Klonovsky keineswegs geschont hatten. Daraus schloss er, dass man außerhalb der Partei die weniger extrem scheinenden Kandidaten sogar als größere Gefahr erachte. Mit dieser Einschätzung säßen die AfD-Gegner jedoch den gleichen Fehlannahmen auf wie die Unterstützer Meuthens.

Kubitschek hält beiden Seiten drei Irrtümer vor (die wiederum über seine eigene Position Auskunft geben): den Glauben an einen weiteren Einbruch in das »bürgerliche Lager«, den Glauben an ein Ende der Probleme mit dem Verfassungsschutz und die Überschätzung von geschliffenen Rednern wie Klonovsky. Nach Kubitscheks Mei­nung irren sich Meuthen und Klonovsky ebenso wie die linken Gegner: »Die mustergültige Säuberung der Partei entlang von Kriterien, die man aus den Orakelsprüchen des VS herausdeuten oder den Gegnerempfehlungen der Sorte Patzelt entnehmen sollte, taugt für Sachsen ebenso wenig wie für Thüringen oder Sachsen-Anhalt, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern.« Kubitschek hält eine harte Linie, wie sie Björn Höcke, Gauland, Hans-Thomas Tillschneider oder der geschasste An­dre­as Kalbitz vertreten, für den einzig gangbaren Weg: »In Sachsen ist eine Chance gewahrt worden.«