Kritik an der Besetzung des Expertenkreises zu Muslimfeindlichkeit

In Fragmenten ideologisch

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat kürzlich ein Expertengremium zur Bekämpfung von »Muslimfeindlichkeit« eingesetzt. Dessen Zusammensetzung sehen Islamismusexperten kritisch.

Der Anfang September von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eingerichtete »Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit« hat in der Öffentlichkeit zumeist positive Reaktionen ausgelöst. So bezeichnete Christine Buchholz, die religionspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linkspartei, die Einrichtung des Gremiums als »überfällig«. Ursula Rüssmann, Politikredakteurin der Frankfurter Rundschau, sieht, ähnlich wie der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, in der Einberufung nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Seehofer sagte, er hoffe mit den im Expertenkreis erörterten »praxisorientierten Ansätzen«, endlich »Muslimfeindlichkeit zu identifizieren, zu bekämpfen und vorzubeugen«. Kritik kam einzig bei der Auswahl der Experten auf.

Die Besetzung des Expertenkreises lässt darauf schließen, dass der öffentliche Druck durch Lobbyorganisationen und Petitionen zumindest eine gewisse Wirkung gezeitigt hat.

So sollte nach Mazyeks Ansicht »zukünftig bei der Auswahl noch mehr der Blickwinkel aus der Praxis der islamischen Gemeinden Berücksichtigung finden«. Die Auswahl der Wissenschaftler finde aber, »bis vielleicht auf eine oder zwei Personen«, die volle Zustimmung des Zentralrats.

Die Besetzung des Expertenkreises lässt darauf schließen, dass der öffentliche Druck durch Lobbyorganisationen und Petitionen zumindest eine gewisse Wirkung gezeitigt hat. So berief Seehofer mit der Ethnologin Nina Mühe, der Sozialpädagogin Iman Attia von der Alice-Salomon-Hochschule Berlin und dem Politikwissenschaftler Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum drei Personen in den zwölfköpfigen Kreis, die vor einem Jahr einen offenen Brief für die Einrichtung einer Expertenkommission »Antimuslimischer Rassismus« unterzeichnet hatten. Initiiert hatte die Petition die Organisation »Claim – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit«, der Mühe angehört.

Kritik gab es unter anderem an der Berufung der Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher von der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Katholischen Universität Löwen. Sie ist Mitglied der Deutschen Evangelischen Allianz und dort seit mehr als 20 Jahren Leiterin des »Instituts für Islamfragen« (IfI). Der Blogger Akif Sahin schrieb in einem Post auf Medium.com, das Institut sei als Teil eines »tendenziösen, den Islam verfälschenden, pauschalisierenden und missionarischen Netzwerk bekannt«.

Auch die Islamismusexpertin Sigrid Herrmann-Marschall sieht die Auswahl kritisch. »Einige der berufenen Expertinnen und Experten vermischen Muslimfeindlichkeit mit einer statthaften Kritik an islamischen Ideologiefragmenten«, sagte sie der Jungle World. »Wer das als Praktiker oder sogar Wissenschaftler nicht sauber trennt«, so Herrmann-Marschall weiter, »muss sich fragen lassen, ob er nicht nur eine ihm nicht gefallende Meinung als Extremismus aus dem Diskurs entfernen möchte.« Zudem könne der Staat nicht dafür zuständig sein, das Islambild der Gesellschaft möglichst positiv zu gestalten.

Mit dem Islamwissenschaftler und Juristen Mathias Rohe von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist eine Person Mitglied des Kreises geworden, die Necla Kelek zufolge »islamische Rechtsauffassungen über die Hintertür des Methodenstreits in unser Recht implantieren will«, wie die Autorin 2011 in einem Artikel in der FAZ schrieb. Rohe, Mitbegründer und ehemaliger Vorsitzender der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht (GAIR), soll Kelek zufolge als Mitglied einer entsprechenden Arbeitsgruppe der ersten Islamkonferenz dafür gesorgt haben, dass »gegen den Widerstand der säkularen Muslime empfohlen wurde, das Kopftuch bei Kindern ›als religiöse Vorschrift‹ zu akzeptieren und an Schulen zu dulden«. Rohe wies damals, ebenfalls in der FAZ, Keleks Vorwürfe deutlich zurück.

»Für dieses neue Gremium hätte ich mir mehr Vielfalt gewünscht. Mehr Vielfalt im Sinne von Teilnehmern, die nicht in Verbandsstrukturen oder akademische Zirkel eingebunden sind und vielleicht neue Impulse beisteuern könnten«, sagte Herrmann-Marschall der Jungle World. Sie erhoffe sich von einer Öffnung des Gremiums einerseits eine größere Nähe zu Menschen, die antimuslimische Anfeindungen erfahren haben, andererseits aber auch die Einbindung von Muslimen, denen ihre religiöse Überzeugung von anderen Muslimen abgesprochen wird.