20.05.2020
Haustierhaltung in der Pandemie

Ist die Pandemie eine gute Zeit sich ein Haustier anzuschaffen?

In der Pandemie ändern sich gezwungenermaßen die Gewohnheiten, jeder muss für sich einen Weg finden, mit Angst, Ansteckungsgefahr und Aggression klarzukommen. Hilft ein Tier dabei oder verbaut man sich damit die Rückkehr ins normale Leben?

Auf den Hund kommen

Ein Tier in der Pandemie? Ich glaube kaum, dass sich jemand ausschließlich wegen Covid-19 und Ausgangsbeschränkungen ein Tier anschafft, bedeutet es doch in Zeiten von erhöhter Care-Arbeit und Sorge um die Zukunft noch mehr Care-Arbeit und Sorge um die Zukunft. Für ein Tier übernimmt man große Verantwortung. Einen Hund schafft man sich also aus Sehnsucht an, nicht wegen Corona.

Kristine Listau und ich haben uns gerade übrigens einen Hund angeschafft, einen Chihuahua namens Tilla LaToya. Tilla wegen Tilla Durieux, einer der gefragtesten Schauspielerinnen der Weimarer Republik. Denn Glamour muss sein, Antifaschismus auch. Und LaToya – Tilla lebt in Neukölln, da braucht es einen guten Straßennamen.

Die Übergabe des Welpen erfolgte fast konspirativ im Grenzgebiet Brandenburgs zu Mecklenburg-Vorpommern.

Wir hatten lange angekündigt, uns einen Hund anzuschaffen, zögerten jedoch immer wieder. In der Zeit des lockdown hatten wir auf einmal mehr Zeit. Wir suchten intensiver, doch es dauerte ein paar Wochen, Chihuahuas sind begehrt. Wir waren mehrmals auf Listen, nie bekamen wir den Zuschlag für einen Welpen. Dann fanden wir eine Züchterin in Mecklenburg-Vorpommern: Ja, schrieb sie, der Hund sei noch zu haben. Die Freude war groß, obschon wir nur ein Foto und eine kurze Beschreibung von Tilla hatten.

Der Transfer der Hündin war allerdings nicht so leicht zu vollziehen. Wir konnten wegen der Reisebeschränkungen nicht nach Mecklenburg-Vorpommern fahren, die Polizei hätte uns vermutlich abgefangen, für gesetzlose Usedom-Touristen gehalten und des Bundeslands verwiesen. Oder ein Wutbürger hätte ein Berliner Autokennzeichen erblickt und nach der sonst so verachteten Ordnungsmacht geschrien. Die Übergabe des Welpen erfolgte daher im Grenzgebiet Brandenburgs, auf dem Parkplatz einer Dorfkirche. Mit der Einhaltung aller Abstands- und Vermummungsregeln fühlten wir uns fast konspirativ.

So kam Tilla nach Berlin, seither gewöhnt sie sich an den Lärm, die Gerüche und an uns. Es ist wunderschön und wir leben glücklich und zufrieden bis ans Ende unserer Tage. So könnte das Märchen ausgehen, das ich hier schreibe, doch so stimmt es nur halb.

Zum einen hat man durchaus gehört, dass sich Spanier in der Isolationszeit Hunde ausgeliehen oder gekauft haben, um einen Grund zu haben, spazieren zu gehen. Ob das viele Menschen waren oder nur ein paar sehr trickreiche, ich weiß es nicht. Versichern aber kann ich, dass sie, wenn sie sich nur zu diesem Zweck einen Chihuahua angeschafft haben, ins Fettnäpfchen getreten sind. Denn diese Hunde sind süß, aber nicht lieb. Zum anderen sind fast alle kleinen Hunde in ihrer Selbstwahrnehmung nicht klein, man kennt die Kläffer, die kaum zehn Zentimeter hoch sind.

Chihuahuas jedenfalls spüren offenkundig einen inneren Dobermann; kaum, dass eine Bulldogge in Sicht- oder Riechweite kommt, schwillt Tilla der Kamm. Die vier Monate alte Hündin versucht, sich mit allen Großen zu messen. Und sie akzeptiert es nicht, wenn die größeren Tiere Desinteresse zeigen. Gehen sie vorbei, verbucht es unser Welpe als Sieg und stolziert wie eine Prinzessin durch die Parks; wir haben den Namen Tilla gut gewählt. Auch der Name LaToya passt zu der jungen Neuköllnerin. Sie weiß, dass sie schön ist, und sie lässt es alle wissen. Nähert man sich ihr aber, ruft dabei mit hoher Stimme »Wie niedlich!« oder versucht, sie zu streicheln, so sieht man ihre Zähne – wenn man sie nicht sogar zu spüren bekommt.

Schon in den ersten Tagen lernten wir: Anknurren ist Tillas Zeichen der Liebe. Und die Hündin liebt uns. Und schützt uns. Ihre Leine ist einen Meter lang – rechnet man die Armlänge hinzu und berücksichtigt die Zentimeter, um die das reißende Tier die gespannte Leine dehnt, so sind immer sichere anderthalb Meter zwischen uns und anderen. Chihuahuas sind Wachhunde, sie nehmen ihre Aufgabe ernst. Sie unterbinden jede Ansteckung, sie sind beste Pandemiehunde. Und es ist wunderschön und wir leben glücklich und zufrieden bis an das Ende unserer Tage.

 

Jörg Sundermeier

 


Für immer in der Quarantäne

Für diejenigen, die keine anderen Sorgen haben, ist mit der Covid-19-Pandemie eine Zeit der Häuslichkeit angebrochen. Und was gehört, nach einem frisch renovierten Flur und einem neu sortierten Bücherregal, zu einem richtig heimeligen Heim? Genau, ein Haustier. Es gibt es viele gute Gründe, mit einem Tier zu leben. Diese sind herzallerliebst, vor allem, wenn sie noch klein sind, und tun die possierlichsten Dinge – das Internet ist voll davon.

Ein Hund freut sich immer, seinen Menschen zu sehen, auch wenn dieser nur kurz auf dem Klo war. Mit Tieren im Haus ist man nie allein, eine Katze zu streicheln senkt, ähnlich wie ausgiebiges Knutschen, erwiesenermaßen die Herzfrequenz und entspannt. Wer einen Hund hat, bewegt sich viel an der frischen Luft, und auch das soll ja sehr gesund sein. In Ländern mit restriktiven lockdowns gehörte Gassigehen zeitweise zu den wenigen Dingen, für die man das Haus noch verlassen durfte. Gerüchteweise wurden Hunderunden sogar zu Schwarzmarktpreisen verhökert. Hier bieten sich insbesondere für Freischaffende, die unter Verdienstausfällen leiden, ganz neue Verdienstmöglichkeiten.

Eine globale Pandemie ist noch lange kein Grund, mit dem Leben abzuschließen.

Die derzeitige Lage mag beängstigend sein und gegen einen vierbeinigen Mitbewohner scheint jetzt, da man sowieso ständig zu Hause ist, nicht mehr viel zu sprechen. Doch eine globale Pandemie ist noch lange kein Grund, mit dem Leben abzuschließen. Irgendwann, vielleicht sogar noch in diesem Jahr, werden wir unser gewohntes Leben wiederaufnehmen können. Es sei denn, ihr habt euch ein Tier zugelegt. Dann bleibt ihr in der Quarantäne.

Nächte durchzechen oder -tanzen, nach der Arbeit auf eine Veranstaltung: Das war einmal. Stattdessen plagt euch das schlechte Gewissen, weil Oleg den ganzen Tag alleine zu Hause sitzt, während ihr euch amüsiert. Ihr müsst spätestens um eins zu Hause sein, weil Frau Schmitz noch gefüttert werden will oder Anton noch mal raus muss. Nachts liegt die Katze auf eurem Gesicht oder der Hund steht im Morgengrauen schwanzwedelnd vor dem Bett, in dem ihr gerade versucht, euren Rausch auszuschlafen. Irgendwann bleibt ihr dann einfach immer zu Hause.

Im Sommer ans Mittelmeer? Momo verträgt die Hitze nicht. Ein Wochenende im Wellness-Hotel? Das letzte Mal, als ihr Bellatrix weggegeben habt, war sie danach eine Woche ganz verstört. Seid ihr der Meinung, ihr habt genug von der Welt gesehen? Gut. Reisen mit Haustier ist schlimmer als Reisen mit Kindern. Die brauchen im Flugzeug zwar auch ein eigenes Ticket, müssen aber immerhin nicht unter Narkose in den Frachtraum, und am Zielort dürfen sie mit in den Supermarkt und ins Museum. Allein zu Hause lassen kann man sie ja auch schlecht. Schon das Verlassen des Schengen-Raums wird zur Zitterpartie. Ist mit den Papieren alles in Ordnung? Sind alle Impfungen nicht zu alt, aber auch nicht zu neu? Wer Sehnsucht nach den guten, alten schikanösen Grenzkontrollen hat, sollte unbedingt mit einem Tier eine Auslandsreise unternehmen. Über den Versuch, für einen Hund eine Bahnfahrkarte zu kaufen, wurde schon Abenteuerliches berichtet. Die Reisebeschränkungen gelten für euch also weiterhin.

Stattdessen die immer gleiche triste Runde um den Block, bei Wind und Wetter, die immer gleichen Gespräche mit anderen Hundebesitzenden. Katzenparcours, Hundeschule, Welpenspielgruppe, Kleintierfrisör, Tierärztin – die ganze Woche ist verplant. Am Wochenende geht’s statt in Club und Kneipe nach Brandenburg. Diese neue Ausgeglichenheit vom ewigen Spazierengehen und Katzestreicheln hält kein Mensch aus. Freunde wenden sich ab, weil ihr nur noch vom Tier erzählt und davon, wie die Bäume in Teltow blühen. Niemand kommt euch mehr besuchen, weil der Hund immer pupst oder die Katze haart.

In Anbetracht dieser Aussichten sind die Kontaktbeschränkungen vielleicht auch eine gute Gelegenheit, dem inneren Misanthropen mit einer guten Ausrede einfach mal freien Lauf zu lassen. Wer sich dennoch unbedingt ein Krisenhaustier anschaffen will, sollte sich ein Beispiel an den Preppern nehmen. Autarkie ist das Zauberwort. Kälbchen, Lämmchen und Ferkelchen sind auch sehr süß, und wenn es doch mal wieder eng wird mit der Lebensmittelversorgung, dann, äh … naja, dann fressen sie immerhin nur Heu und Müll und kein teures Hundefutter.

 

Josefine Haubold