Rechtsterrorismus in Sachsen

Reisegruppe Neonazismus

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Der Verhandlungstag in der vergangenen Woche vor dem Landgericht Dresden drehte sich um die Ereignisse im Dresdner Vorort Heidenau vor vier Jahren. Als Zeuge war Steffen S., ein 52jähriger Zugführer der sächsischen Bereitschaftspolizei, geladen. Er war mit seinem Zug, bestehend aus 35 Polizisten, am Abend des 22. August 2015 vor der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidenau eingesetzt. Sein Auftrag war es, die Asylunterkunft zu schützen und die sichere Einfahrt von zwei ­Bussen mit Asylsuchenden zu gewährleisten.

Am Tag zuvor war es bereits zu gewalttätigen Angriffen gekommen. Dass dabei der Zugführer einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit schwer verletzt worden sei, so dass er sich einer Notoperation unterziehen musste, »ging bei uns ’rum wie ein Lauffeuer«, berichtete S. im Zeugenstand. Trotzdem habe er nicht damit gerechnet, dass es bei dem Einsatz zu solch heftigen Gewalttätigkeiten kommen würde. Sehr plötzlich und koordiniert seien bis zu 100 Neonazis auf die Polizisten seines Zugs losgegangen. Ein ­Hagel aus Steinen, Glasflaschen, Raketen und anderer Pyrotechnik sei auf diese niedergeprasselt. Die Angreifer hätten sich durch das Aussprühen von Feuerlöschern in Nebel gehüllt. Auch er selbst sei von einem Stein am Oberschenkel getroffen worden.

»Das habe ich mir nicht träumen lassen, dass es so kommt«, sagte S. Zeitweise sei die Lage sehr kritisch und nicht mehr unter Kontrolle gewesen. Er habe deshalb zweimal den Abschuss mehrerer Tränengasgranaten in Richtung der Angreifer befohlen. »Das ist die letzte Stufe vor dem Schusswaffeneinsatz«, so S. vor Gericht. Aus seiner Sicht war diese Maßnahme die letzte Möglichkeit, ­seinen Auftrag – den Schutz der Asylunterkunft – zu erfüllen.

René H. könnte einer der Drahtzieher dieser Angriffe in Heidenau gewesen sein. Dafür sprechen seine langjährigen Erfahrungen bei rechtsextremen Aktionen und im Hooligan-Milieu sowie die führende Rolle, die er zu diesem Zeitpunkt in der gewalttätigen Dresdner Neonazi- und Hooliganszene innehatte. Ihm dies nachzuweisen, dürfte jedoch schwierig werden. Den Strafverfolgungsbehörden lagen erst sehr spät belastende Aussagen gegen ihn vor. Unter der Bezeichnung »der ­große Leubener« geisterte er seit 2015 durch zahlreiche Aussagen in Verfahren gegen Neonazis, aber erst zum Ende des ­Prozesses gegen die rechtsterroristische Gruppe Freital nannte einer der Rechtsterroristen René H. beim Namen – in der Hoffnung, dadurch selbst Straf­milderung zu erhalten. Die Aussagebereitschaft gegen H. hält sich in der Szene jedoch weiterhin in engen Grenzen.