Sächsische Behörden gaben rechtswidrig Daten von Versammlungsanmeldern an den Verfassungschutz weiter

Datenschutz auf Sächsisch

Sächsische Kommunalbehörden haben personenbezogene Daten von Versammlungsanmeldern an den Verfassungsschutz weitergegeben – in Hunderten von Fällen.

Arbeiten sächsische Kommunen unaufgefordert dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) zu? Diesen Eindruck erweckt die kürzlich bekanntgewordene Antwort des sächsischen Innenministers Roland Wöller (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann (Grüne). Demnach übermittelten kommunale Behörden in diesem Jahr in 271 Fällen personenbezogene Daten von Versammlungsanmeldern an den Geheimdienst. In 61 Fällen übersandten sie auch den Versammlungsbescheid.

Das Ordnungsamt Plauen übermittelte Namen, Anschriften, Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Anmelder, der Leiter und deren stellvertretenden Leiter mehrerer Demonstrationen am 1. Mai an den Verfassungsschutz. An diesem Tag marschierte die neonazistische Kleinpartei »Der III. Weg« durch Plauen. Entlang der Route hatten verschiedene Organisationen und Einzelpersonen antifaschistische Gegenkundgebungen angemeldet. Auch Pascal von Knoche, der Gründer der Initiative »Nie wieder Faschismus«, trat an diesem Tag als Anmelder auf, ebenso wie Parteipolitiker und Pfarrer. Was alle nicht wussten: Die zuständige Versammlungsbehörde hatte bereits im Februar persönliche Informationen der Anmelder an den Landesverfassungsschutz weitergegeben: entsprechende Unterlagen liegen der Jungle World vor. Dies war ohne vorherige Anfrage des Geheimdienstes und ohne Kenntnis der betreffenden Personen geschehen.

Erst als Knoche im Zuge einer weiteren Kundgebung in Plauen gegen einen Auflagenbescheid klagte und daraufhin Akteneinsicht beim Ordnungsamt erhielt, fiel ihm etwas auf. »Die Unter­lagen enthielten auch einen Mail-Verkehr der Behörde mit dem Verfassungsschutz«, sagt er im Gespräch mit der Jungle World. Das habe ihn sofort stutzig gemacht. »Wieso werden meine Daten hier einfach weitergegeben?« Zudem sei der Geheimdienst als CC im E-Mail-Verkehr geführt worden.

Gemäß Paragraph 10 des sächsischen Verfassungsschutzgesetzes sollen Behörden personenbezogene Daten und sonstige Informationen unaufgefordert übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer Gefährdung vorliegen. Das war jedoch beide Male nicht der Fall. Grundsätzlich regeln die Paragraphen 22 bis 25 des Bundesdatenschutzgesetzes die Befugnisse öffentlicher Stellen bei der Verarbeitung persönlicher Daten. In einem Schreiben des Landratsamts Vogtland an Knoche vom 30. Juli heißt es denn auch: »Eine vorsorgliche Übermittlung von personenbezogenen Daten, insbesondere für noch nicht eingetretene Gefahrenabwehraufgaben, ist hiervon nicht ­abgedeckt und somit auch nicht eine informative Weitergabe.« Man bedaure den Vorfall sehr, so die Behörde. In einer Antwort des Verfassungsschutzes heißt es: »Das LfV Sachsen verarbeitet selbstverständlich nur die Informationen und personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben zwingend erforderlich sind. An das Amt übermittelte Daten, die keinen Bezug zu Aufgaben des LfV haben, werden sofort gelöscht.«
Für Knoche ist dies nur ein schwacher Trost: »Die Sache mit meinen Daten ist natürlich gelaufen. Ich habe keine Ahnung, ob sie wirklich komplett gelöscht werden.« Er hat Strafanzeige gegen zwei Personen wegen Verleumdung und Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz gestellt.

Der Landtagsabgeordnete Lippmann, dessen Anfrage beim sächsischen Innenministerium die hundertfache Datenweitergabe offenbart hat, sieht im Vorgehen der Behörden einen Rechtsverstoß: »Die Weitergabe von Anmeldedaten an den Verfassungsschutz ohne konkreten Grund stellt einen erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar.«

Das Ausmaß dieser rechtswidrigen Praxis sei erschreckend, schrieb der Abgeordnete in einer Pressemitteilung. »Allein in Dresden wurden laut der Antwort des Innenministers in 180 Fällen Daten von Versammlungsanmeldern an das LfV übersandt.« In den Datenbanken des Geheimdienstes zu stehen, sei »für viele Menschen zu Recht abschreckend«. Lippmann hat ­Wöller aufgefordert, sämtliche personenbezogene Daten beim Verfassungsschutz löschen zu lassen, die »aus der Übersendung von Versammlungsanzeigen und -bescheiden stammen«. Zudem solle der Innenminister dafür sorgen, dass »Städte und Landkreise solche Daten nicht mehr übersenden«. Demonstrationsanmeldern empfiehlt der Abgeordnete, von den Behörden Auskunft über erhobene und übermittelte Daten sowie deren Löschung zu verlangen.