Israelisch-palästinensischer Konflikt

Das Geschäftliche zuerst

Seite 4 – Frieden von unten

Im Verwaltungsgebiet des Regionalrats von Shomron liegt der Industriepark Barkan. Hier, etwa 25 Kilometer östlich von Tel Aviv, sind mehrere Tausend Menschen beschäftigt, gut die Hälfte von ihnen sind palästinensisch. Von ihrem Lohn ernähren sie oft ganze Familien. Trotzdem – oder vielleicht ­gerade deswegen – wurde Barkan zum Ziel eines Terroristen. Voriges Jahr hatte der junge Palästinenser Ashraf Na’alowa in Barkan bei einer Firma für Metallverarbeitung zu arbeiten begonnen, die viele Palästinenser beschäftigt. Im Oktober ging er in das Büro der Buchhaltung und schoss auf die dort arbeitenden Angestellten. Er ermordete Kim Levengrond Yehezkel und Ziv Hajbi und verletzte eine Frau schwer.

Frieden von unten? Die Fabrik Twitoplast in Barkan beschäftigt Palästinenser und Israelis.

Bild:
dpa / Jim Hollander

Für Yossi Dagan ist Barkan mehr als ein Wirtschaftsstandort, es sei »der einzige Ort, an dem wir jeden Tag zusammen arbeiten, an denselben Maschinen, mit demselben Lohn: Juden managen Araber, Araber managen ­Juden.« Der Oslo-Prozess laufe nun schon seit 26 Jahren ohne Ergebnis. Nun sei die Zeit gekommen, »von unten« für Frieden zu sorgen.

Der Friedensprozess, den seit dem Oslo-Abkommen jeder US-amerikanische Präsident zu fördern versuchte, ist tatsächlich praktisch tot. Kushners »Deal des Jahrhunderts« folgt dieser Einsicht. Anstatt erneut politische Verhandlungen anzustreben, an deren Erfolg ohnehin niemand mehr so recht glaubt, soll die wirtschaftliche Entwicklung an erster Stelle stehen. Durch Milliardeninvestitionen soll in der Westbank Wohlstand einkehren – und dann kann man vielleicht weiterverhandeln.

Angesichts der desolaten Lage in den besetzten Gebieten erscheint dieser Ansatz durchaus einleuchtend. Die palästinensischen Gebiete waren einst, auch wegen der Verbindung zu Israel, deutlich wohlhabender als die arabischen Nachbarländer. Das ist lange vorbei. Die Wirtschaft darbt, moderne ­Industrien gibt es kaum. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt in der Westbank gerade einmal bei 3 710 Dollar. Im Gaza-Streifen kann kaum noch von ­einer Wirtschaft gesprochen werden, 70 bis 80 Prozent des dortigen Bruttosozialprodukts bestehen aus Hilfszahlungen aus dem Ausland oder Transferzahlungen von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA); die Arbeitslosenrate liegt über 50 Prozent. In der Westbank sieht es besser aus, aber nicht viel. Auch dort sank voriges Jahr das ­reale Pro-Kopf-Einkommen, vor allem weil die USA sämtliche Hilfszahlungen einstellten. Die Bevölkerung wächst rapide, das Wirtschaftswachstum kann nicht annähernd mithalten.