Israelisch-palästinensischer Konflikt

Das Geschäftliche zuerst

Seite 3 – Kooperation als Verrat

Ein paar Tage später, in einem schicken Café in Ramallah, muss Sam Bahour nicht lange überlegen, als er Ashraf Jabaris Namen hört: ein »Uncle Tom« sei das, ein Verräter. Bahour ist leitender Partner bei einer Consultingfirma in Ramallah, er kennt sich aus in der palästinensischen Geschäftswelt. »Jabari ist kein Player«, sagt er, »unser Privatsektor war geschlossen gegen den Kushner-Plan.« Der US-amerikanische Plan sei »ein Witz, erbärmlich«.

Sam Bahour lehnt Kooperation ab.

Bild:
Johannes Simon

Bahour spricht einnehmendes US-amerikanisches Englisch. Aufgewachsen ist er in der Industriestadt Youngstown in Ohio, über die Bruce Spring­steen ein Lied geschrieben hat. Vor über 20 Jahren kam er nach Palästina, um nach dem Oslo-Abkommen zu helfen, die palästinensische Wirtschaft aufzubauen. Bahour tritt nicht radikal auf und wird gerne von großen internationalen Medien interviewt, wenn es um die Wirtschaft in den besetzten Gebieten geht. Er habe zu »allen politischen Parteien« in der Westbank gute politische Beziehungen, sagt er etwas vage, aber er bedient sich nicht ihrer Rhetorik.

Dennoch steht für ihn fest: Kooperation mit Israel, wie Ashraf Jabari sie versuchen will, ist Verrat. Besonders die israelischen Siedlungen mit ihren ­Industrieparks seien »komplett illegal«, sie hätten »keine Zukunft«. Die Genfer Konvention sei da »sehr eindeutig: Jegliche Bevölkerungsbewegung von der Seite der Besatzer zu den besetzten Gebieten ist ­illegal.«

Zahlreiche israelische Firmen haben Niederlassungen in der Westbank. 2016 forderte Human Rights Watch in einer Studie, die 20 israelischen Gewerbegebiete in der Westbank zu räumen. Sie seien auf besetztem Land gebaut, verstießen damit ­gegen die Genfer Konvention und verletzten die Rechte der Palästinenser.

Die Verteidiger der Siedlungen entgegnen: Was ist mit den Rechten der Palästinenser, die dort arbeiten wollen? In Israel ist das jährliche Pro-Kopf-Einkommen elfmal so hoch wie in den palästinensischen Gebieten. Durch die Siedlungen können einige Palästinenserinnen und Palästinenser an diesem Wohlstand teilhaben. Die israelischen Firmen, die jenseits der Grenzen von 1967 operieren, sind gesetzlich verpflichtet, ihren palästinensischen Angestellten das gleiche Gehalt zu zahlen wie deren israelischen Kolleginnen und Kollegen. Das ist in der Westbank sehr viel Geld.

Trotzdem findet Sam Bahour, dass die palästinensischen Behörden viel strenger vorgehen sollten, um Palästinenser daran zu hindern, in den Siedlungen zu arbeiten. »Klar, es ist ein Lebensunterhalt«, sagt er, »aber es ist ­illegal. Wenn das erlaubt ist, könnten wir ja auch Kokain verkaufen, das ist auch ein Lebensunterhalt.«