Die weltweiten Handelskonflikte ­setzen der deutschen Exportwirtschaft zu

Trump lässt grüßen

Die Bundesregierung wird die Interessen der deutschen Exportwirtschaft weiter stützen und schützen. Diese hat schon einen Wunschzettel parat.

Eigentlich lief alles wie geschmiert beim Exportweltmeister der vergangenen drei Jahre. Zwar lag der Exportüberschuss Deutschlands nicht mehr bei knapp neun, sondern nur noch bei 7,4 Prozent der Wirtschaftleistung, aber das bedeutet immer noch fast 300 Milliarden US-Dollar Leistungsbilanzüberschuss – im internationalen Vergleich ein unangefochtener Spitzenplatz, wie ihn nach den USA in der unmittelbaren Nachkriegszeit kein Wirtschaftsstandort mehr hatte erreichen können. Diese Zahlen präsentierte das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung im Februar. Obwohl viele Ökonomen angesichts des Erfolgs ein mulmiges Gefühl ob der Fortführung der aggressiven exportorientierten Wirtschaftspolitik zu beschleichen begann, deutete noch nichts darauf hin, dass es bald vorbei sein könnte mit der deutschen Wirtschaftsherrlichkeit.

Die Bundesregierung wird die Interessen der deutschen Exportwirtschaft weiter stützen und schützen. Diese hat schon einen Wunschzettel parat.

Langsam aber zeigen sich erste Risse an diesem Modell, das auf einem immer produktiverem industriellen Sektor, einer zurückhaltenden Lohnpolitik und einer unterbewerteten Währung – dem Euro als Gemeinschaftswährung mit weitaus weniger leistungsfähigen Volkswirtschaften – beruht und auf Kosten anderer Nationalökonomien geht. Vor zwei Wochen vermeldete die Bundesbank überraschend, dass sie ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von im Dezember vorausgesagten 1,6 Prozent auf 0,6 Prozent senken müsse. »Nach einer Phase der Hochkonjunktur kühlt sich die Wirtschaft in Deutschland gegenwärtig spürbar ab«, hieß es in der Pressemitteilung. Noch pessimistischer beurteilte Andreas Scheuerle, der verantwortliche Volkswirt der Deka-Bank, dem Wertpapierhaus der Sparkassen, die Lage: »Die Produktions- und Außenhandelsdaten sind gruselig. Der Start in das zweite Quartal war ein Desaster.«

Den Anlass für diese Feststellung hatten die Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums und des Statistischen Bundesamts geliefert. Um 3,7 Prozent seien die deutschen Exporte im zweiten Quartal 2019 zurück­gegangen, nachdem sie im März noch das Allzeithoch von 118,3 Milliarden Euro erreicht hätten, wurde dort errechnet. Im Wirtschaftsministerium geht man davon aus, dass das nicht bloß ein Ausreißer sein wird. Man müsse »weiterhin von einer gedämpften Industriekonjunktur in den kommenden Monaten« ausgehen, so das Ministerium. Das sieht auch die Bundesbank so. Diese senkte ihre Prognosen für das Wachstum der kommenden Jahre von 1,6 auf 1,2 Prozent für 2020 und von 1,5 auf 1,3 Prozent für 2021, nachdem man im April die Zahlen noch nach oben hatte korrigieren wollen.

Nun weiß spätestens seit der Krise der Weltwirtschaft 2008/2009 jeder, dass die wirtschaftswissenschaftlichen Voraussagen eher als Wahrsagerei denn als gesicherte Erkenntnisse zu werten sind. Die Ursachen der Entwicklung aber liegen so klar auf der Hand, dass man sie selbst in den Think Tanks der Bourgeoisie erkennt. Und diese sind vor allem durch den allgemeinen Rückgang des internationalen Handels im Zuge der immer protektionistischeren Politik der US-amerikanischen Regierung von Präsident Donald Trump begründet, die jene Länder härter trifft, deren Akkumulationsmodell auf den Export ausgerichtet ist. Die US-Handelspolitik sei eine »massive globale Wachstumsbremse«, sagte Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Noch deutlicher wurde der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel: »In Zeiten von Handelskrieg ist das wirtschaftliche Risiko für die deutsche exportabhängige Wirtschaft besonders hoch.«

Der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, versuchte, die gleiche ­Diagnose positiv zu formulieren. »Sobald die Auslandsnachfrage in Gang kommt, wird das Wachstum der deutschen Wirtschaft wieder auf einem breiteren Fundament stehen«, so der Hardliner der deutschen Austeritäts­politik. Warum das in den kommenden Monaten geschehen sollte, erläuterte Weidmann nicht. Ausgeschlossen bleibt aber weiterhin eine linkskeynesianische Politik des Abbaus des Leistungsbilanzüberschusses zur Stabilisierung des internationalen Handels, wie sie etwa Michael Wendl in der jüngsten Ausgabe der linken Wirtschaftszeitung Oxi propagierte. Wendl schlug eine Anhebung der Löhne und eine expansive Fiskalpolitik mit höheren Steuersätzen für Unternehmen und Spitzenverdiener vor, um dem »Handels­merkantilismus« endlich ein Ende zu setzen.

Weidmann hat gute Chancen, im Herbst Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zu werden. Bekommt er den Posten, wird er den strikten Austeritätskurs samt Nullzinspolitik der EZB fortsetzen, für die er in den vergangenen Jahren bekannt geworden ist. Und die Bundesregierung wird mit Sicherheit die Interessen der deutschen Exportwirtschaft weiter stützen und schützen. Diese hat schon einen Wunschzettel parat. »Nur mit wirtschaftspolitischem Rückenwind hierzulande können die deutschen Unternehmen auch die internationalen Herausforderungen meistern«, appellierte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK), Volker Treier, an die Regierungskoalition. »Sie brauchen den Ausbau unserer Infrastruktur, eine ehrgeizige Unternehmenssteuerreform und Fortschritte beim Bürokratieabbau.« Die Devise der deutschen Unternehmen scheint zu lauten: Wenn schon Handelskrieg, dann wenigstens gut gerüstet.