Die Regierung erwägt, Deutsche Bank und Commerzbank zu fusionieren

Pflegefall statt Champion

Ob Fusion oder nicht – die Aussichten der Deutschen Bank und der Commerzbank sind trüb. Das ist vor allem für die Beschäftigten bedrohlich.

Die Pläne sind ehrgeizig, komplex und riskant. Um einen neuen »nationalen Champion« zu erschaffen, wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) es ausdrückt, sollen die Deutsche Bank und die Commerzbank fusionieren. ­Scholz treibt seit geraumer Zeit die Sorge um, dass Deutschland über keine inter­national wettbewerbsfähige Investmentbank verfügen könnte. Auch in der ­»Nationalen Industriestrategie 2030« des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) taucht der Plan auf.

Die Deutsche Bank, das größte deutsche Finanzunternehmen, ist wegen ihrer missglückten Geschäftspolitik in große Schwierigkeiten geraten. Wenn sie in Konkurs gehen sollte, wären deutsche Unternehmen bei umfangreichen Investitionen auf ausländische Kreditinstitute angewiesen, insbesondere auf die großen US-Investmentbanken. In Zeiten, in denen weltweit eine nationalistische Wirtschaftspolitik aufkommt, ist das eine alptraumhafte Vorstellung für die Bundesregierung. Sie wünscht sich daher eine starke Bank, die auch international wettbewerbsfähig ist und mit den großen chinesischen und US-amerikanischen Häusern mithalten kann.

Die Gewerkschaften rechnen damit, dass eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank bis zu 30 000 der insgesamt 140 000 Stellen kosten könnte.

Doch außerhalb der Bundesregierung stößt die geplante Fusion auf wenig ­Begeisterung. Der Zusammenschluss sei »gar keine gute Idee«, sagen die ­sogenannten Wirtschaftsweisen. Auch die Fondsgesellschaft Blackrock, die große Anteile an beiden Banken hält, lehnt das Vorhaben ab. Es könne nicht das Ziel sein, noch eine große Investmentbank nach US-Vorbild zu schaffen, weil das »nicht funktionieren würde«, sagte Philipp Hildebrand, der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende von Blackrock, vergangene Woche. Die Banken hätten »ein schwerwiegendes Problem mit ihrem Geschäftsmodell, das sich durch Größe alleine nicht ­ändern lässt«. Er verstehe die Über­legung nicht, die dem Fusionsplan zugrunde liegt. »Welches Problem soll hier gelöst werden?« fragte der frühere Leiter der Schweizer Notenbank.

Tatsächlich befinden sich beide Institute in einer misslichen Situation. Vor allem die Deutsche Bank ist in den vergangenen Jahren mit ihren ambitionierten Plänen gescheitert. Sie hat das Investmentbanking und das Geschäft in den USA bereits stark verringert, die Bilanzsumme ist um etwa 100 Milliarden Dollar gesunken. Dabei wurde unter anderem der Handel mit Aktien in den USA um ein Viertel zusammengestrichen, ebenso sieht es bei den Dienstleistungen für Hedgefonds und den Geschäften im Energie- und Rohstoffhandel aus.

Hinzu kommen die zahlreichen Skandale, in die die Deutsche Bank verwickelt ist und die in der jüngsten Vergangenheit zu Strafzahlungen in Milliardenhöhe führten. So wurde das Institut wegen dubioser Immobiliengeschäfte, unter anderem mit Donald Trump, und ­wegen Geldwäsche schwer belastet. Die Bank muss nun hohe Risikoprämien am Kapitalmarkt zahlen, um ihr Geschäft zu refinanzieren. Die Aufschläge drücken das große Misstrauen gegenüber dem Unternehmen aus. Kein Wunder also, dass es keine Kaufinteressenten gibt, obwohl die Deutsche Bank derzeit sehr günstig zu bekommen wäre. Niemand möchte riskieren, dass nach einem Kauf weitere Skandale bekannt und weitere Strafzahlungen fällig würden.

Die Commerzbank hatte in den vergangenen Jahren ebenfalls erhebliche Probleme und konnte nur mit staatlicher Hilfe überleben. Bei einer Fusion würde sie als der kleinere Partner vermutlich die schwersten Folgen zu tragen haben. Dabei hat das Management der Bank bereits einen Plan verabschiedet, der die Entlassung von 9 600 Beschäftigten vorsieht.

Die Sorge ist daher begründet, dass nach dem Zusammenschluss zweier maroder Institute kein »nationaler Champion«, sondern einer neuer Pflegefall entstehen könnte. Das fusionierte Unternehmen wäre einerseits zu groß, um es scheitern zu lassen, und anderseits zu klein, um tatsächlich die anvisierte Rolle ausfüllen zu können. Der vermeintliche Champion würde selbst von der zweitgrößten französischen Bank noch deutlich übertrumpft.

Kritiker befürchten daher, dass ­staatliche Interessen gegen betriebswirtschaftliche Erwägungen durch­gesetzt werden könnten. Die Fusion wäre ein Entschluss »gegen alle Versprechen nach der Finanzkrise, sich nie wieder abhängig zu machen von Bankern«, wetterte die wirtschaftsliberale Süddeutsche Zeitung; eine Entscheidung, die von »Gestaltungswahn, Großmannssucht und Selbstüberschätzung« einer »Handvoll Männer in Regierung und Finanzszene« getragen werde.

Auf großen Widerstand stoßen die Pläne auch bei den Gewerkschaften. Diese rechnen damit, dass ein Zusammenschluss bis zu 30 000 der insgesamt 140 000 Stellen kosten könnte, denn anderenfalls würde sich eine Fusion kaum rechnen. Für diese Woche ruft Verdi zu Demonstrationen und Warnstreiks auf.

Mittlerweile relativiert die Bundesregierung ihre Aussagen. »Es gibt keine alleinige politische Motivation, diese Fusion nun anzustreben. Es muss eine betriebliche sein«, sagte der Leiter des Bundeskanzleramts, Helge Braun (CDU), Anfang dieser Woche der Bild-Zeitung. Eine Fusion der beiden Banken sei »keine systemische Frage für Deutschland, sondern eine wirtschaftliche Frage von zwei Unternehmen«.

Allerdings bleibt die Frage, was geschieht, falls die Fusionspläne scheitern sollten. Wenn beide Institute zu schwach für einen Zusammenschluss sind, ist es noch lange nicht ausgemacht, dass sie alleine dauerhaft überlebensfähig sind. So ist die Rede von dem »nationalen Champion« wohl eher ein Versuch, eine aus der Not geborene Zwangsvereinigung besser zu verkaufen. Auch für den Fall, dass beide Banken selbständig bleiben, werden weitere Entlassungen vermutlich nur eine Frage der Zeit sein. Eine Rückkehr zu den Zuständen vor der Finanzkrise wird es jedenfalls nicht geben.