Die AfD hat gute Chancen, in den hessischen Landtag einzuziehen

Erbarme, die Blaue komme

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Der Wissenschaftler sieht eine zweigleisige Strategie: Einerseits wolle die AfD durch »moderat-sachliche« Stimmen das Bild einer wählbaren, bürger­lichen Partei abgeben, andererseits solle mit Hilfe bundespolitischer Prominenz »polarisiert, emotionalisiert und skandalisiert« werden.

Die Zusammenstellung der Landtagskandidatinnen und -kandidaten bewertet Hafeneger als Versuch, möglichst alle Parteiströmungen zu berücksichtigen. »Von Rechtskonservativen bis zu rechtsnationalen Hardlinern und Neurechten ist da alles zu finden«, so der Wissenschaftler. Auffällig sei die »Männerdominanz« der Liste.

Neben ehemaligen Polizeibeamten, Bürgermeistern und Lehrern fällt vor allem eine Personalie auf: Andreas ­Lichert. Der 42jährige kandidiert auf Listenplatz 5 und kann sich damit eines Landtagsmandats fast sicher sein. In den vergangenen Jahren machte er sich bundesweit in unterschiedlichen Bereichen der Rechten einen Namen. Eine Zeitlang betrieb er im hessischen Karben mit der sogenannten Projektwerkstatt eine Art rechten Salon, engagierte sich im »Institut für Staatspolitik« um den neurechten Verleger Götz Kubitschek und ist Verwalter des Hausprojekts der rechtsex­tremen Iden­titären Bewegung in Halle, wie das Portal Hessenschau.de berichtete. Lichert personifiziert die Zusammenführung dieser verschiedenen rechten Strömungen und deren Bindung an die AfD.

Bereits im Juni offenbarte die Partei, dass sie sich nicht allzu sehr mit hes­sischer Landespolitik befasst, sondern politische und gesellschaftliche Ereignisse eher nach ideologischem Gusto behandelt. So beteiligte sich die AfD maßgeblich an den Gedenk- und Protestveranstaltungen anlässlich der ­Vergewaltigung und Ermordung einer 14jährigen in Mainz, die mutmaßlich ein Mann begangen hatte, der als Asylsuchender nach Deutschland gekommen war. Der AfD ging es freilich vor allem um die Instrumentalisierung des Falls für ihre rassistische Propaganda, der zufolge Zuwanderung lediglich eine Bedrohung und Gefahr ist. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab die AfD eine Mitschuld an dem Verbrechen.

Hafeneger erwartet ein »deutliches Oppositionsgehabe« nach dem ab­sehbaren Einzug der AfD in den Landtag. Dennoch seien nicht nur Gepol­ter und Polemik zu erwarten, schließlich fänden sich auf der Liste »nicht nur Newcomer«, sondern auch Kandidaten mit Erfahrung aus kommunalen Par­lamenten.

In den jüngsten Umfragen erreichte die AfD zweistellige Werte. Sie darf ­darauf hoffen, bei der Wahl Ende Oktober nach CDU und SPD drittstärkste Partei zu werden. Sollten sich die Präferenzen der Wählerinnen und Wähler in den nächsten zwei Monaten nicht mehr wesentlich ändern, werden CDU und Grüne bei der Wahl ihre Mehrheit verlieren. Eine CDU-SPD-Koalition und ein Bündnis aus CDU, FDP und Grünen wären rechnerisch möglich, Rot-Rot-Grün dagegen nicht.

Zwei Wochen früher als in Hessen finden auch in Bayern Landtagswahlen statt, wo die AfD bislang ebenfalls nicht im Parlament vertreten ist. Die AfD wird aller Voraussicht nach in ­beide Landtage einziehen. Sie wäre dann in allen 16 Landesparlamenten, im Bundestag und im Europäischen Parlament vertreten.