Die südafrikanische Regierung prüft entschädigungslose Enteignungen von Land

Landreform und Paranoia

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Liberale und Rechte sind wenig entzückt. Wenn das Privateigentum nicht mehr garantiert sei, würden Investoren abgeschreckt, heißt es. Es drohten Verhältnisse wie in Zimbabwe, wo eine chaotische Enteignung ab 2001 zu einer massenhaften Abwanderung weißer Farmer und damit auch eines nicht geringen Teils des landwirtschaftlichen Know-hows geführt hatte. In den folgenden Jahren kam es zu einem Verfall der Agrarproduktion und Hungersnöten. Damit ist in Südafrika jedoch nicht zu rechnen. Bereits in der entsprechenden ANC-Resolution heißt es, Enteignung ohne Entschädigung sei nur in Fällen in Erwägung zu ziehen, wo weder die Nahrungsmittelproduktion noch die Investitionstätigkeit Schaden nehmen können. Der rechtsliberale ANC-Kritiker Moeletsi Mbeki, der Bruder des früheren Präsidenten Thabo Mbeki, sagte dennoch im Mai auf der Jahresversammlung des Landwirtschaftsverbands, es handle sich um »einen Angriff auf die weißen Bürger Südafrikas«.

Drohende Enteignungen empören die traditionell konservative weiße Landbevölkerung, die schon in den vergangenen Jahren auf jede Relativierung ihrer Privilegien mit Untergangsgeheul reagierte. Die paranoidesten Mitglieder dieses Bevölkerungssegments, das sich in der Oppositionspartei Freedom Front Plus und der NGO Afriforum organisiert, sprechen gar von einem drohenden Genozid an der weißen Bevölkerung. Tief verankert ist das Apartheids-Schreckbild von der zwart gevaar (schwarzen Gefahr), dem Mob von Macheten schwingenden Wilden, die jedem Weißen nach dem Leben trachten. Kulminationspunkt dieser Ängste sind die sogenannten Farmmorde, brutale Morde an Farmern, ihren Familien und Angestellten, die immer wieder Schlagzeilen machen. Nun hat Südafrika mit durchschnittlich 49 Morden pro Tag eine der weltweit höchsten Mordraten; Weiße machen aber gerade einmal 1,8 Prozent der Opfer aus. Auf einer abgelegenen Farm zu wohnen, erhöht allerdings die statistische Wahrscheinlichkeit, umgebracht zu werden. Doch in den allermeisten Fällen handelt es sich um Raubüberfälle, denen auch Schwarze zum Opfer fallen.

War der drohende »Genozid an den Weißen« bislang vor allem die Parole einheimischer Rassisten, so hat sich inzwischen auch die Internationale der rechten Verschwörungsideologen des Themas angenommen, darunter der Alt-Right-Protagonist Mike Cernovich und die britische Kolumnistin Katie Hopkins, die allerdings bei dem Versuch, in Südafrika eine Dokumentation über das Thema zu drehen, wegen Aufstachelung zum Rassenhass des Landes verwiesen wurde. Doch die Kampa­gne zeigt Wirkung: Im März versprach der Innenminister Australiens, das ­ansonsten für seinen sehr restriktiven Umgang mit Flüchtlingen berüchtigt ist, den verfolgten weißen Farmern zur Seite zu stehen und ein beschleunigtes Visaprogramm aufzulegen.

Die angestrebten Enteignungen berühren jedoch einen der wichtigsten Aspekte der Landfrage nicht einmal. Denn mit mittlerweile 73 Prozent städtischer Bevölkerung ist Südafrika ein sich rasch urbanisierendes Land, doch Wohnraum für die Ärmsten, die weiterhin auf der Suche nach Arbeit in die Städte strömen, gibt es viel zu wenig. Deshalb werden dort immer wieder staatliche Ländereien besetzt und informelle Siedlungen errichtet, die regelmäßig von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten brutal geräumt werden. Versuche der Gegenwehr werden mit Repression beantwortet. So wurden erst im Mai wieder zwei führende Mitglieder von Abahlali baseMjondolo, ­einer autonomen Basisbewegung von Township-Bewohnern, bei Durban ­erschossen. Dahinter werden lokale ANC-Kreise vermutet, die bereits früher vergleichbare politische Morde in Auftrag gegeben haben. Und solange das Leben der Ärmsten nichts gilt, sind auch Enteignungen für die grassierende ökonomische Ungleichheit Südafrikas nichts als Kosmetik.