Die prosyrischen Kräfte wurden bei den Wahlen im Libanon deutlich gestärkt

Auswärtssieg für Assad

Bei der Parlamentswahl im Libanon sind die prosyrischen Kräfte deutlich gestärkt worden. Bis es eine neue Regierung geben wird, könnte es länger dauern.
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Das vielleicht wichtigste Ergebnis der Parlamentswahl im Libanon ist, dass sie überhaupt stattfand. Seit 2009 war das nicht mehr der Fall gewesen – unter anderem wegen des Syrien-Kriegs, der zu einer wechselseitigen Blockade der rivalisierenden politischen Kräfte des Libanon geführt hatte. Geprägt von den Erfahrungen des Bürgerkriegs im eigenen Land einigten sich libanesische Gegner und Gefolgsleute des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad 2013 deshalb darauf, die Amtszeit der Abgeordneten ohne Abstimmung zu verlängern. Auch der Posten des Präsidenten blieb wegen des Patts zwischen prosyrischen und prowestlichen Kräften zwei Jahre unbesetzt.

Nach der Wahl droht nun ein neues Problem. Nicht an der Staatsspitze, wo der christliche Präsident Michel Aoun seit 2016 von Gnaden der schiitischen Hizbollah das Land nach außen repräsentiert, sondern bei der Besetzung des Amtes des Regierungschefs. Denn der sunnitische Ministerpräsident Saad Hariri ist der große Verlierer der Wahl; 13 ihrer bislang 33 Parlamentssitze verlor seine Zukunftspartei bei der Abstimmung am 6. Mai. Nur durch erhebliche Zugeständnisse an die Hizbollah und Aouns Freie Pat­riotische Bewegung wird der Sohn des 2005 mutmaßlich von Hizbollah-Mitgliedern ermordeten langjährigen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri seinen Posten behalten können. Vor Ende des Jahres ist mit der Bildung einer neuen Regierung kaum zu rechnen.

Aber selbst das ist fraglich. Nach Aufkündigung des Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump wird der Libanon stärker zum Feld des Stellvertreterkriegs zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Die Konfliktzone zwischen den beiden Hegemonialmächten im Nahen Osten reicht vom Jemen im Süden der arabischen Halbinsel bis zum Mittelmeer. Hariri galt dabei stets als verlässliche saudische Marionette. Doch die Unzufriedenheit des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman mit dem schwachen Sunniten an der Regierungsspitze dürfte nach dessen Stimm­verlusten weiter wachsen: Bereits im vergangenen Herbst hatte er Hariri in Riad mehrere Tage unter Hausarrest gestellt, um ihn zu ­einer härteren Gangart gegen die vom Iran unterstützte Hizbollah zu zwingen.

Nutznießer von Hariris Niederlage könnte Najib Mikati werden, der bereits von 2011 bis 2014 die libanesische Regierung führte. Das Patronagesystem des Milliardärs aus Tripoli sichert ihm die Gefolgschaft vieler sunnitischer Wähler, die Hariri wegen des Bankrotts des Familienunternehmens nicht mehr mit Jobs versorgen kann. Auch auf die veränderten regionalen Rahmenbedingungen angesichts des nahenden Siegs Assads in Syrien könnte Mikati flexibler reagieren als der vom Königshaus in Riad abhängige Hariri. Da auch die dem syrischen Regime treuen christlichen Parteien Mandate dazugewannen, wird die künftige Regierung in Beirut deutlich prosyrischer sein als die zuletzt von Hariri geführte – und damit auch proiranischer.

Denn die Machtposition, die die Hizbollah im Libanon seit Ende des Bürgerkriegs 1990 einnimmt, wird durch die Parlamentswahl, aus der sie als stärkste Kraft hervorging, weiter gestärkt. Die Parteimiliz Hassan Nasrallahs kontrolliert nicht nur Armeeführung und Geheimdienste, sondern hat es durch ihre sozialen Netzwerke auch geschafft, eine breite – und loyale – Basis bei der schiitischen Be­völkerung aufzubauen. Trotz Hunderter Gefallener in Syrien – und möglicherweise weiterer Opfer in einem neuen Krieg mit Israel.