Ein Kopftuchverbot bei Minderjährigen würde Mädchen vor der Sexualisierung schützen

Naiv gegen den Salafismus

Das geplante Kopftuchverbot für Minderjährige in Nordrhein-Westfalen wäre ein wichtiger Schritt gegen die Sexualisierung von Mädchen.

Im neuesten Streit ums Kopftuch sind die Rollen interessant besetzt: In Nordrhein-Westfalen überlegt man, ein Kopftuchverbot an Schulen für Mädchen unter 14 Jahren zu erlassen. Vehementeste Verfechterin dieser Idee ist Serap Güler, die Staatssekretärin für Integration von der CDU. Gegenwind bekommt sie aus dem Bund, vertreten durch die Integrationsministerin des Bundes Annette Widmann-Mauz, ebenfalls von der CDU.

Dass der Streit innerparteilich brodelt, fördert zwei Erkenntnis­se zutage: Die CDU hat eindeutig immer noch keine Strategie zur Integration. Und: Wenn Unionspolitikerinnen mit Unionspolitikerinnen über das Kopftuch streiten, ist das auch nicht geistreicher, als wenn es etwa Grüne oder Sozialdemokraten tun.

So erklärte Widmann-Mauz: »Wichtig ist doch, dass wir uns fragen, wie wir an diese schwierigen Fälle rankommen: Wir müs­sen die Eltern erreichen und die Mädchen stark machen, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen.«

Das ist so wunderschön nett und naiv, dass man noch mal nachschauen möchte, ob man sich nicht bei ihrer Parteizugehörigkeit getäuscht hat. Aber wer weiß, vielleicht will Widmann-Mauz wirklich Sozialarbeiterinnen dazu ausbilden, Salafisten mit Argumenten zu überzeugen. Das wäre, wenn es funktioniert, innovativ und toll und könnte zum Exportschlager werden. Die Franzosen wollen sowas auch!

Leider sieht es eher so aus, als habe Widmann-Mauz Serap Güler nicht zugehört. Das Problem, von dem Güler spricht, ist folgendes: Immer mehr Mädchen an Grundschulen tragen ein Kopf­tuch. Es sind nicht viele, aber früher gab es gar keine. Das ist
bemerkenswert, weil die konservative Interpretation des Islam ein Kopftuch erst mit dem Eintritt in die Pubertät vorsieht.

Wie Güler nicht müde wird zu erläutern, handelt es sich beim Kopftuch um eine Sexualisierung von Mädchen. Das Kopftuch ist eben kein religiöses Symbol wie das Kruzifix, das nur die Zugehörigkeit zu einer Religion signalisiert. Die Verhüllung soll vielmehr Männern dem Koran zufolge signalisieren, dass sie die Frau nicht sexuell belästigen sollen. Das impliziert, dass Männer generell Frauen belästigen würden, wenn sie zu viel weibliche Haut sähen, und daraus spricht ein ziemlich negatives Männerbild. Bisher ist man aber auch in der islamischen Welt davon ausgegangen, dass Männer ihre Triebe nur bei geschlechtsreifen Frauen nicht unter Kontrolle haben. Dass Kinder sich ver­hüllen sollen, fordern nur solche Islamisten, die auch die Kinderehe ab neun Jahren gutheißen.

Serap Güler weiß: Verhüllung von Kindern und Befürwortung von Kinderehen gehören zusammen. Eltern, die ihre Töchter
im Grundschulalter verhüllen, sind mit Argumenten, wie sie Widmann-Mauz vorschweben, kaum erreichbar.

Wer genau wissen will, was die Leute, die Kopftücher für kleine Mädchen wollen, sonst denken, kann das übrigens bei Twitter unter dem Hashtag #nichtohnemeinkopftuch nachlesen, etwa: »Die Welt von der dreckigen Idee Demokratie befreien«.