Die AfD bläst zum Kampf gegen den »Kulturmarxismus«

Alice im Verschwörungswunderland

Die AFD-Fraktionsvorsitzende, Alice Weidel, bläst zum Angriff auf den »Kulturmarxismus«. Ihr innerparteilicher Gegner Björn Höcke will diesen lieber auf rechts wenden.

In der Bundestagsfraktion der »Alternative für Deutschland« (AfD) zeichnet sich ein Machtkampf ab. Dem Spiegel zufolge wittert Alice Weidel, die Co-Vorsitzende der Fraktion, Putschgelüste vor allem unter den Gefolgsleuten Björn Höckes, der zum völkischen Parteiflügel gehört. Tatsächlich galt die intern ­wegen ihres autoritären Führungsstils kritisierte Weidel anfangs als Repräsentantin des »gemäßigten« Flügels ihrer Partei.

Die Unternehmensbera­terin, die nach Darstellung des Spiegel als »liberale Eurokritikerin« zur AfD gekommen ist, hatte Anfang 2017 den Ausschlussantrag gegen den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Höcke unterstützt. Dieser revanchierte sich auf dem Hannoveraner Parteitag im Dezember und schmähte Weidel wegen ihrer Ämterhäufung als »verhinderte Sonnenkönigin«.

Die öffentlich ausgetragene Feindschaft zwischen Weidel und Höcke wirft die Frage auf, ob es sich um einen persönlichen Machtkampf handelt oder ob auch strategische Differenzen eine Rolle spielen. Nur scheinbar überwiegen die Gemeinsamkeiten. Weidels Verbal­attacken gegen »Migrantenmobs« finden auch bei Höckes Anhängern Beifall. Auf dem Kölner Parteitag der AfD im April 2017 hielt Weidel zudem eine flammende Rede, in der sie die »politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte« wünschte. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl im September veröffentlichte die Welt am Sonntag eine E-Mail Weidels von 2013, in der sie unter anderem Verschwörungsideologien der »Reichsbürger« vertreten und Sinti, Roma und Araber als »kulturfremde Völker« bezeichnet hatte, von denen »wir überschwemmt werden«. Über einen Sprecher ließ sie die E-Mail zunächst als Fälschung bezeichnen, ehe sie von dieser Behauptung wieder abrückte.

 

»Diskreditierung der ›bürgerlichen‹ Familie, Früh- und Hyper­sexualisierung, Genderismus und Multikulturalismus sind die Früchte dieses Kulturmarxismus«, schreibt Weidel voll Emphase In der AfD-nahen Wochenzeitung Junge Freiheit

 

In der AfD-nahen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) hat Weidel nun ganz offen ihr Faible für Verschwörungsideologien dokumentiert. Erbost über den Widerstand im Bundestag dagegen, einem AfD-Politiker den Vorsitz des Kulturausschusses zu übertragen, setzte Weidel in einem Gastbeitrag für die JF zum Generalangriff gegen das »Establishment« an. Dass sie »die Eliten« immer noch als Ansammlung von »Achtundsechzigern« sieht, obwohl diese auf ihrem Marsch durch die Institutionen längst die Pensionsgrenze überschritten haben, ist wenig originell. Schon der CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte das Publikum zu Jahres­beginn mit ähnlich anachronistischen Klagen eher amüsiert als empört. Bemerkenswert ist jedoch, dass Weidel in ihrem Beitrag zur Abrechnung mit dem »Kulturmarxismus« ansetzt. Dieser liefere den Linken nicht nur einen Masterplan zur Erlangung der »kulturellen Hegemonie«, er sei zugleich schuld an sämtlichen kulturellen Zerwürfnissen, gegen die die AfD zu Felde zieht. »Diskreditierung der ›bürgerlichen‹ Familie, Früh- und Hyper­sexualisierung, Genderismus und Multikulturalismus sind die Früchte dieses Kulturmarxismus«, schreibt Weidel voll Emphase.

Die Politikerin verwendet damit einen Kampfbegriff des rechten Rands. »Kulturmarxismus« ist ein verschwörungsideologisches Konstrukt, das von der extremen Rechten in den USA geprägt und in Europa durch das »Manifest« des norwegischen Attentäters Anders Breivik bekannt wurde. In der US-amerikanischen Alt-Right gehören Angriffe auf den »Kulturmarxismus« zum Standardrepertoire, gilt dieser doch als Ursache für linken »Tugendterror«. Auch Breivik galten die 2010 von ihm ermordeten jungen Sozialisten als Agenten des Multikulturalismus und der politischen Korrektheit, gegen die sich die Feinde des »Kulturmarxismus« richten müssten. Welches Niveau dessen konservative Kritiker an den Tag legen, zeigt die Geschichtsschreibung eines Patrick J. Buchanan, der zu den bekanntesten Autoren im cultural war gegen den »Kulturmarxismus« gehört.

Der Altkonservative Buchanan warb in den neunziger Jahren in der Republikanischen Partei für eine protektionistische Politik der USA und gilt als einer der Wegbereiter von Donald Trump. In der 2002 erschienenen deutschen Ausgabe von »Der Tod des Westens« spekuliert Buchanan wild über die »Wühlarbeit« von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, der für Buchanan ein »dissidenter Marxist und Bewunderer des Marquis de Sade« ist.

Die »Frankfurter Schule« von Horkheimer und Adorno wird so zum Zentrum des Umsturzes der bürgerlichen Welt. Als eigentlicher geistiger Vater des Instituts für Sozialforschung und dessen auf Zersetzung des Bestehenden zielender Kritischer Theorie gilt in rechtsextremen Kreisen aber der italienische Kommunist Antonio Gramsci. Auch Weidel richtet sich in der JF gegen ihn. Von diesem stamme die Einsicht, dass einer »politischen Machtübernahme« die »Errichtung der ›kulturellen Hegemonie‹ vorausgehen« müsse.