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Revolution ist Familiensache

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Als die Guevaras 1967 aus der Zeitung vom Tod ihres Sohnes erfahren, entziehen sie sich dem Medienspektakel, indem sie gegenüber der Presse schweigen. Rund 50 Jahre später sieht der in Buenos Aires lebende 73jährige Juan Martín Guevara endlich den Zeitpunkt für gekommen, seine Erinnerungen an den 15 Jahre älteren Bruder zu veröffentlichen. »Mein Bruder Che« schildert das Leben des Revolutionärs aus der Perspektive der Angehörigen, die dessen immer kühnere Unternehmungen aus der Ferne miterleben und dabei nach Kräften unterstützen – erst die legendäre Motorradtour durch die USA, später die Revolution auf Kuba. »Wo wir auch wohnen«, schreibt Juan Martín Guevara über sein Elternhaus, »immer sind Boden und Wände mit politischen Flugblättern übersät.« Dem möglichen Vorwurf, er wolle mit Verspätung vom Mythos des Bruders profitieren, begegnet er schon im ersten Kapitel.

Die Vermarktung Ernestos habe er stets mit Abscheu betrachtet. Eine Reise an dessen Sterbeort nahe dem bolivianischen Vallegrande mit seinem Che-Museum und den vielen Souvenirläden voller Revolutionskitsch beschreibt er als eine schockierende Erfahrung. Dort sei die Entscheidung gefallen, ein halbes Jahrhundert nach der Ermordung seines Bruders die »Wahrheit« über diesen in einem Buch zu offenbaren. Wenn der bescheidene Ernesto etwas gehasst habe, dann sei es ein Personenkult gewesen, wie er postum um ihn ­betrieben wird.

Dass Juan Martín Guevara, der wegen politischer Aktivitäten unter der Militärjunta acht Jahre im Gefängnis saß, kein objektiver Biograph seines Bruders sein kann, liegt auf der Hand, zumal er betont, wie sehr er den Älteren immer bewundert habe. Dem erklärten Anspruch, den Mythos Che zu zerstören, wird Juan Martín Guevara mit seinem weichgezeichneten Bild des Bruder nicht gerecht. Was das Buch lesenswert macht, ist die lebhafte Darstellung der Revolution als Familienunternehmen.


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Juan Martín Guevara: Mein Bruder Che.
Aus dem Französischen von Christina Schmutz und Frithwin Wagner-Lippok.
Klett-Cotta, München 2017,
352 Seiten, 22 Euro