Das Scheitern der Koalitionsverhandlungen in den Niederlanden war schon seit ­längerem absehbar

Sie konnten zusammen nicht kommen

Die Koalitionsverhandlungen in den Niederlanden ziehen sich in die Länge, ein tragfähiger Kompromiss zwischen den beteiligten Parteien scheint kaum möglich.
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Die niederländischen Koalitionsverhandlungen werden zum Geduldsspiel. Mehr als zwei Monate nach den Parlamentswahlen im März gibt es keine Mehrheit für eine neue Regierung. Klar ist nur, dass der ursprünglich anvisierte Termin für die Regierungsbildung – »vor dem Sommer« – verschoben werden muss.

An sich ist das keine Überraschung. Inhaltlich gibt es zwischen der marktliberalen Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) von Ministerpräsident Mark Rutte und den Christdemokraten (CDA) und der linksliberalen Ökopartei Groen-Links (GL) derart wenige Gemeinsamkeiten, dass viele mit einem Scheitern der wochenlangen Gespräche rechneten. Die politisch zwischen beiden angesiedelten liberalen Demokraten (D66) waren als Bindeglied zu wenig. Vor allem im Bereich Migration, aber auch bei den Themen Klima und Einkommensentwicklung konnte man keinen gemeinsamen Nenner finden. Verwunderlich ist höchstens, dass für diese Erkenntnis zwei Monate nötig waren. Das ist wohl der behutsamen Strategie der Vermittlerin Edith Schippers (VVD) geschuldet, denn als diese Mitte Mai endlich Ergebnisse forderte, führte das umgehend zum Ende der Verhandlungen.

Die Regierungsbildung ist immer eine komplexe Angelegenheit in den Niederlanden. Sie ist bestimmt von Rollenspielen und Ritualen. Bis zu den vorletzten Parlamentswahlen oblag es der Königin, einen Vermittler zu ernennen, der mit den Fraktionsvorsitzenden diverse Koalitionsmöglichkeiten erörtert. Längst nicht immer führt deren erste Wahl auch erfolgreiche Koalitionsverhandlungen. Oft verhandelt man zunächst in Richtung eines Regierungsbündnisses, das zahlenmäßig naheliegt, um sich dann auf eine inhaltlich stimmigere Koalition zu einigen.

In dieser Phase befinden sich die Parteien derzeit. Die Regierungsbildung ist von strategischen Manövern bestimmt: Die Sozialisten (SP) wollen nicht mit der austeritätsfixierten VVD sprechen. Diese hat genug von den Verhandlungen mit Groen-Links. Als wahrscheinlichste Option gilt nun ein Bündnis von VVD, CDA, D66 und der christdemokratischen Christenunie (CU). Darauf allerdings ist die liberale Partei D66 nicht erpicht, weil die kleine protestantische CU der Position von D66 zur Sterbehilfe heftig widerspricht.

Deutlich ist indes, dass die migrationspolitischen Positionen von Groen-Links in den Niederlanden nicht mehrheitsfähig sind. Die Partei forderte im Wahlkampf eine »humanitäre Flüchtlingspolitik« und bekennt sich klarer als die meisten anderen zum Recht auf Asyl. Im Zuge einer Parlamentsdebatte in der vergangenen Woche wurde gemutmaßt, das Scheitern der Gespräche habe mit einem geplanten Rücknahmeabkommen zwischen der EU und Libyen zu tun, vergleichbar mit dem bestehenden Abkommen mit der Türkei. Bestätigt ist dies allerdings nicht.

Unwahrscheinlich ist, dass die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV) noch eine Rolle in den Koalitionsverhandlungen spielen wird. Vor den Wahlen hatten fast alle relevanten Parteien eine Zusammenarbeit mit der PVV ausgeschlossen. Eine Abkehr von dieser Position ist bislang nirgends zu erkennen. Der PVV-Vorsitzende Geert Wilders gibt sich derweil offen und verspricht eine schnelle Einigung, falls man es sich doch anders überlege.