30.03.2017
In der Schweiz gibt es Proteste gegen die Abschiebung des angeblichen Eta-Mitglieds Nekane Txapartegi nach Spanien

Widerstand gegen Abschiebung

Das Schweizer Bundesamt der Justiz hat entschieden, das angebliche Eta-Mitglied Nekane Txapartegi nach Spanien abzuschieben, obwohl sie dort wahrscheinlich gefoltert werde. Die Kritik daran wächst, Rechtsmittel sind offen.

In mehreren Schweizer Städten sind in den vergangenen Wochen Hunderte Menschen aus Solidarität mit Nekane Txapartegi auf die Straße gegangen. Das zuständige Bundesamt der Justiz (BJ) hatte entschieden, dass die 43jährige Baskin an Spanien ausgeliefert werden kann. Sie war am 6. April 2016 in Zürich festgenommen worden und saß seitdem in Auslieferungshaft. Das spanische Auslieferungsersuchen stützte sich ursprünglich auf ein Urteil des Obersten Spanischen Gerichtshofs, der sie am 22. Mai 2009 wegen Unterstützung der mittlerweile aufgelösten baskischen Untergrundorganisation Eta zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt hatte. In einem Revisionsverfahren hatte der Oberste Spanische Gerichtshof das Urteil auf drei Jahre und sechs Monate reduziert. Vor Haftantritt tauchte Txapartegi unter und lebte nach eigenen Angaben seit 2009 unter anderer Identität in der Schweiz. Im Auslieferungsverfahren machte sie insbesondere geltend, sie sei in Spanien auf der Grund­lage eines unter Folter abgelegten Geständnisses verurteilt worden.

Das Bundesamt für Justiz befand in einer Pressemitteilung, Txapartegi habe nicht glaubhaft darlegen können, dass sie gefoltert wurde. Dabei stützt sich die Schweizer Behörde ausschließlich auf spanische Quellen. »Die spa­nischen Behörden übermittelten alle verlangten Unterlagen (namentlich die Gerichtsurteile im Zusammenhang mit der Überprüfung der Foltervorwürfe und medizinische Unterlagen, Anm. d. Red.) und erklärten ausdrücklich, dass die Frau nicht gefoltert worden sei«, heißt es in der Pressemitteilung des BJ. Diese Lesart stieß auf hef­tigen Widerspruch der außerparlamentarischen Linken und auch von Schweizer Menschenrechtsgruppen, die in den vergangenen Monaten eine Kampagne gegen die Auslieferung Txapartegis initiiert hatten.

Unberücksichtigt ließ die Behörde Gutachten, die die Version der baskischen Aktivistin bestätigten. Ihre Anwälte hatten den Wiener Psychiater Thomas Wenzel und den türkischen Rechtsmediziner Önder Özkalıpçı mit Expertisen beauftragt. Nach der Begutachtung von Txapartegi im Gefängnis und dem Studium der medizinischen Dokumentation kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Frau gefoltert wurde. »Unsere Befunde bestätigten in den Schlussfolgerungen den Folter­bericht der Betroffenen«, schreibt Wenzel. Özkalıpçı kommt unter Betrachtung der psychologischen Diagnosen Txapartegis und den belegten Befunden zu dem Schluss, dass »sie in den zehn Tagen der Verhaftung in Kontaktsperre zwischen dem 9. und dem 19. März 1999 gefoltert wurde«. 
Die beiden Experten untersuchten den Fall anhand des Istanbul-Protokolls. Dabei handelt es sich ein international anerkanntes Handbuch für die »wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung oder Strafe«. Es wurde von Ärzten, Psychologen, Menschenrechtlern und Juristen von 40 Organisationen und 15 Ländern verfasst, die auf Folter spezialisiert sind. Der im Genfer Exil lebende Özkalıpçı ist einer der Koautoren des Istanbul-Protokolls. Der Gutachter Wenzel ist Herausgeber mehrerer Bücher zur Foltererkennung.

Die klaren Expertenaussagen hatten bei Unterstützern Txapartegis die Hoffnung genährt, dass sich die Schweiz an der belgischen Justiz orientieren würde. Die hatte bereits im Jahr 2013 die Auslieferung der angeblichen Eta-Angehörigen Maria Natividad Jauregui Espina verweigert, weil Foltervorwürfe von den spanischen Behörden nicht ordnungsgemäß untersucht worden waren. 2016 verweigerte Belgien ihre Auslieferung erneut, weil damit die Menschenrechte verletzt würden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in den vergangenen Jahren Spanien acht Mal verurteilt, weil Foltervorwürfe nicht untersucht und die Verantwortlichen nicht an­geklagt worden seien. Bekannte spanische Richter wie Balthasar Garzón und José Ricardo de Prada haben mittlerweile die Folterpraktiken bestätigt.
Lilo König von der Schweizer Menschenrechtsorganisation Augenauf äußerte Unverständnis über das BJ im Fall von Txapartegi. »Der Entscheid hat uns überrascht, weil die Indizien für die Folter in diesem Fall außerordentlich stark sind. Offenbar war es für die Behörde wichtiger, am Prinzip festzuhalten, dass eine europäische Demokratie nicht foltere«, sagte sie der Jungle World. Sie betont auch, dass Txapartegi noch zahlreiche Möglichkeiten habe, um ihre Auslieferung zu verhindern.

Im Auslieferungsverfahren ist der Gang an das Bundesstrafgericht offen. »Im parallel laufenden Asylverfahren ist noch kein Entscheid erfolgt, wir rechnen jedoch aufgrund der Begründung des Auslieferungsentscheides mit der Ablehnung des Asylantrages. Hier ist noch ein Weiterzug ans Bundesverwaltungsgericht möglich«, so König. Danach könnte der Fall bei der obersten juristischen Instanz der Schweiz, dem Bundesgericht, landen. Sollte dort die Auslieferung Txapartegis bestätigt werden, könnte die Angelegenheit könnte entweder an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGMR) oder dem CAT (Uno-Komitee gegen Folter) gehen.