Wie die EM verliefe, wenn sie ein Spiegelbild der europäischen Politik wäre

Was bringt die EM?

Sport ist politisch. Wie sich die Realsatire europäischer Politik auf die Fußball-EM auswirken könnte.

In dieser Woche beginnt die Fußballeuropameisterschaft der Männer in Frankreich. Was könnte bei dem Turnier alles geschehen? Wie wäre es damit: Die französische Nationalmannschaft beteiligt sich am grève général (Generalstreik) und setzt durch, dass das Singen der Nationalhymnen ausfällt und anarchonihilistische Pamphlete der Casseurs verlesen werden. Karim Benzema kehrt auf ausdrücklichen Wunsch seiner Kollegen wieder in den Kreis der Equipe Tricolore zurück und übernimmt mit sofortiger Wirkung den Posten des Teambetreuers, Bereich Freizeitgestaltung. Nach kurzem Zögern schließt sich Belgien dem Streik an. In der ukrainischen Nationalmannschaft kommt es während des ersten Spiels zum Eklat: Ein Teil des Teams verbarrikadiert sich in der Nähe des Torraums und erklärt sich für unabhängig, verzweifelt versuchen die restlichen Mannschaftsmitglieder den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Als das misslingt, werden sowohl deutsche als auch russische Spieler in die Mannschaft eingeschleust, die die beiden Konfliktparteien unterstützen; die Ukraine wird allerdings disqualifiziert. Der freigewordene Platz in der Gruppe C wird meistbietend verkauft; wenig überraschend sichert sich Kasachstan den Platz, nachdem es Griechenland nicht gelungen war, ausreichend Kredite vom IWF für eine Teilnahme zu erhalten. Als Polen in den Play-offs auf Russland trifft, wird die polnische Mannschaft von einer paramilitärischen Miliz begleitet, um diese vor russischen Angriffen zu schützen; noch am selben Tage stellt Russland die Gaslieferungen nach Polen ein. Nachdem sich Großbritannien per Referendum aus der EU verabschiedet hat, beschließen Wales, Schottland, Nordirland und England, eine eigene Meisterschaft zu veranstalten. Doch nachdem diese von Nordirland gewonnen wird, beantragt England die erneute Zulassung zur EM, auch wird ein Referendum zum erneuten Beitritt in die EU vorbereitet. Die Türkei kündigt an, dass jede Mannschaft, die es wage, ein Tor gegen ihr Nationalteam zu schießen, sowie Mannschaften, die dies gutheißen oder anderweitig zu ihrem Vorteil nutzen könnten, mit empfindlichen diplomatischen Konsequenzen zu rechnen hätten. Nach Protesten der UEFA lädt Erdoğan die Botschafter aller an der EM beteiligten Länder zu sich, um über die vermeintlich hinter den Kulissen der EM wirkenden Mächte herzuziehen. Ungarn überrascht mit einer neuen Verteidigungsstrategie und lässt auf der Höhe der Mittellinie einen Zaun errichten. Nach drei Spielen ohne Tore verpasst die Mannschaft allerdings die Play-offs, Viktor Orbán kündigt die Versetzung aller Teammitglieder in ein Arbeitslager an. In Österreich entschließt sich die FPÖ, die EM-Qualifikation der österreichischen Mannschaft anzufechten und ihre mög­liche Unterstützung des Teams mit der Wahl des Bundespräsidenten zu verknüpfen. Exakt 50 Prozent der Spieler sind daraufhin völlig verwirrt und suchen Beratung bei den Grünen. In der spanischen Nationalmannschaft fordern Katalanen und Basken im Zuge der Neuwahlen Autonomie und Sonderrechte – wie die Aufstellung eines eigenen Tores. Spanien muss daraufhin drei Tore verteidigen und verliert alle Gruppenspiele mit zehn Toren Differenz. Und die Deutschen? Mesut Özil erklärt beim Anstoß des ersten Spiels, dass er tatsächlich nicht zu Deutschland gehören möchte, ruft »Allahu Akbar!« und schießt den Ball ins eigene Tor. Jérôme Boateng ist daraufhin so verwirrt, dass er das Ganze kurz nach Wiederanpfiff wiederholt. Nachdem sich auch Mustafi, Khedira und Can anschließen, verlassen Müller, Lahm, Schweinsteiger und Podolski den Platz und erklären die Gründung einer Alternative für Deutschland im Fußball (AfD/F). Deutschland scheidet mit null Punkten und der schlechtesten Torbilanz aller Zeiten aus. Und wer wird Europameister? Man wird es nie erfahren. Inspiriert von dem Streik der Franzosen beschließen alle Journalisten sowie die Radio- und Fernsehkommentatoren, die Ergebnisse auszuwürfeln. Gerüchte machen die Runde, dass das Turnier nach den Play-offs offiziell abgebrochen wurde, als durchsickerte, dass Spieler aller Nationen sich nach Nyon (Schweiz) aufgemacht hätten, um die Büros der Uefa zu stürmen. So oder so ähnlich könnte es passieren. Das wär doch mal was anderes.