Die Friedensbewegung und die russischen Bomben

Lautes Schweigen

Die deutsche Friedensbewegung schweigt zu den russischen Bombardements in Syrien. Militärinterventionen lehnt sie nur dann ab, wenn sie von Nato-Staaten geführt werden.

Harte Zeiten sind das, in denen man selbst einem Kommisskopf wie Klaus Naumann zustimmen muss. »Hätten amerikanische Flugzeuge in irgendeinem Konflikt der letzten Zeit so bombardiert wie die Russen in Aleppo, dann möchte ich das Geheule der deutschen amerikakritischen Öffentlichkeit hören und das Geschrei unserer Friedensbewegung, die mal wieder die Schnauze hält«, sagte der frühere Nato-General kürzlich in einem Interview mit dem »Deutschlandfunk«. Und hat damit Recht. Denn tatsächlich ist das Schweigen der Friedensfreunde über die russischen Militäreinsätzen zur Unterstützung des syrischen Diktators Bashar al-Assad geradezu ohrenbetäubend. Es gibt keine Demonstrationen, keine kritischen Stellungnahmen, nichts.
Als der Bundestag im Dezember vergangenen Jahres beschloss, Tornado-Flugzeuge, Satelliten, eine Fregatte und 1 200 Bundeswehrsoldaten nach Syrien zu schicken, war das noch ganz anders. Damals erklärte beispielsweise die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen (DFG-VK): »Wer Ziele aufklärt, damit sie bombardiert werden können, ist genauso verantwortlich wie der, der dann die Bomben abwirft.« Das Komitee für Grundrechte meinte: »Krieg ist keine Antwort auf Terror, sondern selbst Terror, der die Verletzung und Tötung von Zivilisten hinnimt.« Es gab zahlreiche Protestkundgebungen und -schreiben, die Friedensbewegung war in ihrem Element.
Man muss nicht so weit gehen, alle Friedensaktivisten umstandslos mit den durchgeknallten Putin-Fans vom »Friedenswinter« und den »Friedensmahnwachen« in eins zu setzen. Aber oftmals ist ihre Doppelmoral offenkundig. Die Frage, ob »die deutsche Friedensbewegung eigentlich in erster Linie für Frieden oder nur gegen westliche Militärinterventionen« ist, stellt sich nicht nur für Elias Perabo von der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation »Adopt a Revolution«. »Sind die Syrer nur dann zivile Opfer, wenn sie durch westliche Bomben sterben?« fragt er. »Wer schützt dieselben Zivilisten vor Assads Fassbomben, russischen Luftschlägen oder religiösem Terror?« Nach der Logik der Kritiker westlicher Militäreinsätze, so Perabo, »scheint Frieden schon erreicht, wenn der Westen sich nicht einmischt«.
Sobald Nato-Staaten ein militärisches Eingreifen ankündigen, überschlägt sich die Friedensbewegung geradezu mit Katastrophenszenarien. Sogar die Forderung nach einer Flugverbotszone in Syrien – die auch von vielen syrischen Oppositionellen erhoben wird – lehnt sie als unzulässige westliche Einmischung ab. Russische Bomben dagegen, die zahllose Zivilisten das Leben kosten und mit denen das Regime des Menschenschlächters Assad maßgeblich gestützt wird, entlocken ihr nur ein Achselzucken. Dabei schwächen sie auch die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher syrischer Organisationen – an denen den Friedensfreunden nach eigenem Bekunden doch so sehr gelegen ist – noch weiter.
Die Friedensbewegung, so Elias Perabo, müsse endlich anerkennen, »dass eine ehedem bipolare Weltordnung im Nahen Osten längst einer multipolaren regionalen Neuordnung gewichen ist, in der Russland nicht mehr die Sowjetunion ist und in der derzeit die imperialen Bestrebungen Saudi-Arabiens, der Türkei und des Irans aggressiver sind als die des ›Weltpolizisten‹ USA«. Eine höchst berechtigte Forderung. Doch zu einer solchen Erkenntnis sind viele deutsche Pazifisten in ihrer ideologischen Verbohrtheit weder willens noch fähig.