Moderat kämpferisch
Am Ende musste er sich fügen. Der portugiesische Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva hat den Vorsitzenden der Sozialistischen Partei (PS), António Costa, am Dienstag vergangener Woche mit der Regierungsbildung beauftragt. Direkt im Anschluss an die Parlamentswahlen vom 4. Oktober hatte er diesen Auftrag noch seinem Parteikollegen Pedro Passos Coelho vom konservativen Wahlbündnis Portugal à Frente (PàF) erteilt. Formal war das korrekt, da PàF mit 38,5 Prozent der Stimmen die Wahl gewonnen hatte und mit 107 Abgeordneten die größte Fraktion bildet. Über eine Mehrheit im Parlament verfügt das Bündnis aber nicht, da die drei linken Parteien – PS, Kommunisten und der Linksblock – zusammen auf 122 Abgeordnete kommen. Cavaco Silvas Hoffnung, dass sich die linken Kräfte nicht einigen können, erfüllte sich nicht. Seit der Nelkenrevolution von 1974 hat immer der Wahlsieger die Regierung gestellt. Dennoch ist Portugal nicht Griechenland und die portugiesischen Sozialisten sind nicht Syriza. »Diese Regierung ist aus der Ablehnung der Idee, dass es keine Alternative geben würde, entstanden«, kündigte der neue Ministerpräsident kämpferisch an, nur um im nächsten Satz politischer Radikalisierung eine Absage zu erteilen und eine moderate Regierung zu versprechen.
Costa hat als langjähriger Bürgermeister der Hauptstadt Lissabon bereits gezeigt, dass er in der Lage ist, politisch erfolgreich in Bündnissen zu arbeiten. Dennoch lastet auf Costa das Manko des Wahlverlierers, da es ihm nicht gelungen war, die Regierungskoalition trotz der weiterhin schwierigen Wirtschaftslage abzulösen. 32,3 Prozent der Stimmen erhielt der PS, lediglich knapp vier Prozentpunkte mehr als bei den Wahlen 2011. Daher wurde direkt nach der Wahl sogar über Costas Rücktritt diskutiert. Diese Debatten sind mittlerweile vergessen. Hartnäckig hat Costa um Unterstützung der Coligação Democrática Unitária (CDU), eines Zusammenschlusses der Kommunistischen Partei Portugals und der Grünen, und des Linksblocks (BE) für eine linke Regierung geworben. Anfang November konnte er verkünden, dass dies gelungen sei.
Besonders für den Linksblock, der seinen Stimmenanteil bei der Parlamentswahl verdoppeln konnte, wird dies zu einer Herausforderung. Der BE ist 1999 aus marxistischen und trotzkistischen Parteien hervorgegangen und hat versucht, sich als eine moderne, linksradikale Alternative zu Kommunisten und Sozialisten zu etablieren. Die Partei und ihre Vorsitzende, Catarina Martins, gingen selbstbewusst in die neue Legislaturperiode und die Verhandlungen mit dem PS. Mit 19 Abgeordneten stellt der BE die drittgrößte Parlamentsfraktion. Sie fordert unter anderem die Rücknahme der Austeritätsmaßnahmen und den Austritt Portugals aus der Nato, der Austritt aus der Euro-Zone ist im Gespräch.
Während sich Costa mit dem Linksblock überraschend schnell einigen konnte, dauerten die Verhandlungen mit den Kommunisten länger hin. Das liegt sicherlich auch an der traditionellen Feindschaft der Parteien, die bis in die Zeit nach der Nelkenrevolution zurückreicht. Umso erstaunlicher war es, dass Costa auch mit ihnen Anfang November eine Einigung erzielte.
Mittlerweile hat Costa sein Regierungsprogramm vorgestellt, das in einigen zentralen Bereichen die Austeritätsmaßnahmen der Vorgängerregierung zurückzunehmen verspricht: Ab Januar sollen zum ersten Mal seit fünf Jahren die Renten erhöht werden, der Mindestlohn soll von derzeit 505 Euro bis zum Ende der Legislaturperiode sukzessive auf 600 Euro steigen; es sollen keine Kürzungen der Gehälter im öffentlichen Sektor vorgenommen und die abgeschafften Feiertage wieder eingeführt werden. Allerdings beginnen nun die Schwierigkeiten, wie bereits der Rückzug von Sérgio Sousa Pinto aus dem Parteivorstand der Sozialisten zeigte. Er lehnte die Zusammenarbeit mit Kommunisten und Linksblock ab. Auch bei der Wahl des sozialistischen Abgeordneten Eduardo Ferro Rodrigues zum Parlamentspräsidenten stimmten zwei Abgeordnete des linken Lagers nicht für diesen. Bei kontroversen Abstimmungen zu Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftsfragen dürfte die Zahl der Abweichler künftig höher ausfallen. Somit ist unklar, ob Costas Linksregierung die Legislaturperiode übersteht.