Die NPD in der Krise

Im Hinterzimmer der Politik

Bei der NPD läuft es zurzeit überhaupt nicht gut. Dabei herrscht eine rassistische Stimmung auf den Straßen, wie sie sich NPD-Funktionäre lange gewünscht haben. Der Bundesparteitag am Wochenende im baden-württembergischen Weinheim soll es wieder richten.

Vor einem Jahr feierte die NPD ihren 50. Geburtstag. In der Parteigeschichte gab es viele Höhen und Tiefen. Zurzeit befindet sich die NPD wieder einmal in der Krise. Mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) gibt es starke Konkurrenz, die Stimmen aus der Wählerschaft anderer rechts­extremer Parteien auf sich ziehen kann. Auch die AfD spricht die Angst vor Kriminalität und Besitzstandsverlust an sowie das rassistische Ressentiment, die Ablehnung des Fortschritts in ­gesellschaftspolitischen Fragen und hier insbesondere die Furcht vor dem Bedeutungsverlust der heterosexuellen Kleinfamilie als einzig akzeptable Form des Zusammenlebens.

Neben der übermächtigen Konkurrenz durch die AfD gibt es aber auch etliche hausgemachte Probleme. So stellte das Antifaschistische Infoblatt (AIB) fest, dass zahlreiche Landesverbände der NPD, etwa diejenigen in Bayern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, faktisch keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten mehr entfalteten. Das gelte selbst für die letzte noch bestehende Landtagsfraktion der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, so das AIB. Der ehemals stärkste Landesverband in Sachsen ist im Zuge mehrerer interner Skandale um den früheren NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel sowie den ehemaligen Landesvorsitzenden Holger Szymanski geschwächt. Um aufstrebende Kader aus der Par­teijugend ist es ebenfalls ruhig geworden.

Auch beim »Kampf um die Straße« gibt es mit »Die Rechte« und der Kleinstpartei »Der III. Weg« Konkurrenten, die sich an einigen Orten aus ehemaligen NPD-Mitgliedern zusammensetzen. »Der III. Weg« entstand in Südwestdeutschland, an der Grenze von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Anlass für die Gründung dieser Splitterpartei war der Konflikt im NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz zwischen dem traditionell-völkisch und dem subkulturell orientierten Flügel.

Mittlerweile sehen regionale Beobachter eine Gebietsaufteilung. »Der III. Weg« betätigt sich vor allem in der Vorderpfalz und Ludwigshafen, also linksrheinisch. Die NPD hingegen tritt rechtsrheinisch auf, also in Mannheim, Weinheim und Sinsheim. In Mannheim sitzt Christian Hehl, ein ehemaliger Hooligan von Waldhof Mannheim, für die NPD in der Stadtverordnetenversammlung. In Weinheim ist Jan Jaeschke nicht nur für die NPD, sondern auch »immer unterwegs für Deutschland«.

In der Stadt wohnt auch der ehemalige Gymnasiallehrer Günter Deckert. Er war von 1991 bis 1996 NPD-Bundesvorsitzender. In den Neunzigern saß er für die Partei im Weinheimer Kreistag. Ab 2005 zerstritt er sich mit der NPD und ging nur noch seiner Leidenschaft nach, der Holocaust-Leugnung. Das brachte ihm 2013 eine knapp fünfmonatige Gefängnisstrafe ein. Die »Asylkrise«, zu der er auch schon in den achtziger Jahren Hetzschriften wie »Ausländerstopp – Handbuch gegen Überfremdung« und »Asyl – gestern, heute, morgen« publizierte, führt ihn nach Angaben von Mannheimer Antifaschisten vermutlich wieder in die NPD zurück. Denn er organisiert mit Jaeschke und dem Bundesorganisationsleiter Sebastian Schmidtke aus Berlin den NPD-Bundesparteitag in der Stadthalle von Weinheim an diesem Wochenende.

Dass Weinheim zur »Stadt der Parteitage« wurde, ist vor allem dem Anwalt Peter Richter zu verdanken. Der NPD-Funktionär aus dem Saarland hatte den Zugang zur Weinheimer Stadthalle erklagt. Nun ist dies der dritte Parteitag an diesem Ort. Wenn nichts Gravierendes passiert, wird die Veranstaltung auch im nächsten Jahr dort stattfinden. Richter vertritt die Partei auch im schwebenden NPD-Verbotsverfahren.

Doch selbst der vermeintlich große Auftritt als Wahlpartei kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die NPD zurzeit nur dort erfolgreich im Sinne von Mobilisierungsfähigkeit ist, wo sie nicht als Wahlpartei, sondern eher als Anwohner- oder Bürgerinitiative in Erscheinung tritt und »besorgte Bürger« gegen Flüchtlingsunterbringungen aufwiegelt. Sammeln Parteifunktionäre hingegen mit Schirm und Informationsstand stundenlang Unterschriften etwa für den Wahlantritt bei der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg, sind schon zehn Unterschriften ein Erfolg, der, wie kürzlich geschehen, stolz verkündet wird.

Die Situation erinnert an die frühen neunziger Jahre, als der rassistische Mob ebenfalls gegen Flüchtlinge tobte, die NPD mit ihrem damaligen Vorsitzenden Deckert aber zur bedeutungslosen Hinterzimmerpartei verkam. Wahlerfolge heimsten damals die Republikaner und die Deutsche Volksunion (DVU) ein. Eine Veränderung brachte erst Udo Voigt, der 1996 den Vorsitz übernahm, die Partei für Mitglieder aus kriminalisierten Neonazigruppen öffnete und mit einer offensiven Straßenpolitik die NPD wieder ins Gespräch und später in Parlamente brachte.

Erschwerend kommt für die NPD hinzu, dass die AfD nicht nur im Wahlkampf auf der Straße präsent ist, sondern auch mit Demonstrationen in verschiedenen Bundesländern. Dies war in den neunziger Jahren bei den Republikanern und der DVU anders. Diese waren reine Wahlparteien, die höchstens große Saalveranstaltungen organisierten, aber keine Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern, wie es die AfD zuwege bringt.

Anscheinend ist die einzige Institution, die zurzeit zur NPD hält, die Staatsanwaltschaft Mannheim. Sie forderte den Blogbetreiber blogsport.de auf, eine Seite regionaler antifaschistischer Gruppen vom Netz zu nehmen, die zur Blockade des NPD-Parteitags aufrief. Dies sei »erst der zweite Fall in zehn Jahren«, sagt ein Vertreter von blogsport.de. Jedoch sei »auffällig, dass beide Fälle von Ermittlungsbehörden in Süddeutschland« ausgingen. »In einem weiteren Fall vor drei Jahren ermittelte die Polizei in Memmingen gegen eine lokale Jugend-Antifa, die ›Kiez-Kinder Allgäu‹, wegen ihres Blockadeaufrufs gegen einen Naziaufmarsch in Dresden.« Die Polizei in Berlin, die im Rahmen der Amtshilfe eingeschaltet wurde, habe blogsport.de mitgeteilt, dass sie selbst wegen solcher Aufrufe keine Ermittlungsverfahren anstrenge.

Antifaschistische Gruppen können die Abschaltung der Seite zum NPD-Parteitag auf blogsport.de wahrscheinlich verschmerzen. Denn mittlerweile gibt es ein Mirror der Internetseite unter http://blocknpd2015.nordost.mobi. Dort ruft das Antifa-Bündnis »Block NPD« weiterhin dazu auf, am Samstag die NPD-Veranstaltung mit Blockaden verhindern.