Kiffen in Bayern? Läuft nicht

Dope auf dem Dorf

Eine hübsche Geschichte aus der bayerischen Provinz zeigt: Das deutsche Cannabis­verbot wird immer alberner.

Der Sommer 2015 ist wahrlich nicht von guten oder auch wenigstens nur der Abwesenheit von schlechten Nachrichten geprägt. Um sich nicht selbst mit dem um sich greifenden Irrsinn anzustecken, ist es hilfreich, jeden Tag nach der einen Meldung Ausschau zu halten, die daran erinnert, dass die Menschheit doch eigentlich auch ganz anders kann.
Die hübscheste Geschichte der vergangenen Woche spielte sich im oberbayerischen Odelzhausen ab. Zu dessen knapp 5 000 Einwohnern stoßen für ein Sommerwochenende rund 2 000 Gäste des kleinen Reggae-Festivals »Riding Higher«; ein Event also irgendwo zwischen Dorffest und Dreadlock-Modenschau. Nun ist Reggae bekanntlich die Musik, die man am Geruch erkennt. Zudem dürfte auf den umliegenden Feldfluren, wie überall in ländlichen Regionen, wohl mehr als nur Raps, Mais oder Gerste angebaut werden. Massenhafte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz waren also zu befürchten, und so kündigte die Polizei an, mit 45 Zivilbeamten für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung auf der Festwiese zu sorgen; sehr zum Unmut nicht nur der Veranstalter, sondern auch der Lokalpolitik bis hin zum Bürgermeister.
Die freizeitlich gekleideten Gesetzeshüter erwartete ein großer Empfang: Am Eingang wurden sie um den Dienstausweis gebeten, Festivalbändchen für zahlende Gäste standen ihnen freilich nicht zu. Flyer und Durchsagen forderten die Besucher auf, sich gegenüber den nicht mehr allzu verdeckten Ermittlern freundlich und kooperativ zu verhalten. Nach wenigen Stunden brachen die Beamten die Operation entnervt ab. Drogenfunde: keine.
»Die polizeiliche Arbeit wurde im Keim erstickt«, klagt Michael Richter, Sprecher der Dachauer Polizei, über die Transparenzoffensive. Festivalorganisator Ludwig Gasteiger dagegen sieht darin einen Akt zivilen Ungehorsams und bedankt sich höflich bei der Gegenseite: »Die Polizisten waren freundlich und haben unser Fest nicht gestört. Darüber sind wir glücklich.«
Unfreiwillig hat die Polizei mit diesem Schwank aus der Provinz zudem einmal mehr die Absurdität der Cannabis-Kriminalisierung demonstriert. Nun ist Bayern für seine restriktive Haltung gegenüber nichttrinkbaren Rauschmitteln berüchtigt, aber auch das ach so hippe Berlin blamiert sich mit seiner harten Linie im Görlitzer Park gerade gründlich. Der Senat musste auf eine Anfrage der Linkspartei einräumen, dass dort trotz ständiger Kontrollen und der »Lex Görli«, die den Besitz auch geringer Mengen Cannabis unter Strafe stellt, gedealt wird wie eh und je.
So sehen Rückzugsgefechte aus. Die Luft für die Befürworter einer Zero-Tolerance-Politik wird cannabinolhaltiger, seit ein US-Staat nach dem anderen das Gras freigibt, ohne dass dort die öffentliche Ordnung zusammenbräche. In den deutschen Stadtstaaten wird laut über die Einrichtung legaler Coffeeshops nachgedacht, und selbst aus Polizeikreisen kommen Forderungen nach einer Liberalisierung: Sogar ein rechter Hardliner wie Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, findet, es gebe Wichtigeres zu tun, als hinter Kiffern herzulaufen. Und so sei die Prognose gewagt: In fünf bis zehn Jahren wird es um die Weltlage nicht besser stehen. Aber man wird sie sich in Deutschland ganz legal erträglicher rauchen dürfen.