Deutschland verabschiedet sich von den Grundlagen der europäischen Integration

Schöpft Geld!

Deutschland kündigt die Grundlagen der europäischen Integration auf.

Es könnte ganz einfach sein. Die EU-Bürokraten und vor allem die deutschen Politiker müssten nur ihre kindische Trotzhaltung aufgeben und endlich ihre Hausaufgaben machen, wobei man ihnen erlauben sollte, bei Wirtschaftsnobelpreisträgern wie Paul Krugman abzuschreiben. Bei der Schuldenreduzierung orientiere man sich an den Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF), einer nicht für ihre Generosität bekannten Institution, die einen Nachlass von 30 Prozent für Griechenland empfiehlt. Sodann präsentiere man ein Investitionsprogramm, gestatte Syriza einige Notmaßnahmen gegen die extreme Armut und schon wird Alexis Tsipras unterschreiben, weil er ein solches Ergebnis als Sieg präsentieren kann. Die griechischen Lohnabhängigen werden dann weiter für die Krise zahlen, wenn auch in etwas kleineren Raten, und alles geht seinen gewohnten kapitalistischen Gang.
Es ist unklar, ob eine nachfrageorientierte Politik oder die von den meisten Ökonomen empfohlene Mischung aus Konjunkturförderung, Austerität und Dressur des Humankapitals (»Strukturreformen«) Griechenland einen dauerhaften Aufschwung verschaffen würde. Sicher ist, dass die reine Austeritätspolitik Griechenland immer weiter in die Armut treibt und damit das Land auch als Markt und Investitionsobjekt entwertet.
Die kompromisslose Haltung Deutschlands ist daher nicht nur eine Absage an die ökonomische Rationalität, sondern auch eine Kündigung der informellen Geschäftsgrundlage der EU, in die die ärmeren Staaten aufgenommen wurden, um den Führungsmächten Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte zu bieten. Für die Integration waren zwar Subventionen notwendig, aber etwa 30 Jahre lang war die EU für alle, für deutsche Konzerne und auch für südeuropäische Lohnabhängige, ein gutes Geschäft. Damit ist es nun vorbei, und die Reaktion ist überwiegend nationalistisch. Wenn die Griechen für geleistete Arbeit nicht oder zu willkürlich gekürzten Sätzen bezahlt werden, wird dieser Bruch mit den kapitalistischen Regeln als patriotische Kränkung empfunden.
Die Bundesregierung gefährdet aber auch den deutschen Exporterfolg in Europa – eigentlich ein Angriff auf das Allerheiligste. Vor allem dieser Mangel an Geschäftssinn ist beunruhigend. Mit einer Zweidrittelmehrheit geht Deutschland in ideologischer Verblendung einmal mehr einen Sonderweg. Der deutsche Nationalchauvinist 2.0 ist machtbewusst, imaginiert sich aber zugleich als Opfer und ist latent aggressiv. Man kann darüber streiten, ob es nur Gehässigkeit, mühselig verborgenen Rassismus oder Vernichtungsphantasien erkennen lässt, wenn Michael Spreng, Politikberater und ehemaliger Chefredakteur von Bild am Sonntag, über die Griechen sagt: »Ein Volk hat auch das Recht, in Würde unterzugehen.«
Mit Argumenten kann man solchen Leuten nicht kommen. Ohnehin ist kapitalistischer Wettbewerb die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Selbst Geld schöpfen – die nun als »Guerilla-Grexit« bezeichnete Strategie (deren Ziel entgegen deutschen Sehnsüchten der Verbleib in der Euro-Zone wäre) – ist daher für Griechenland die beste Option. Und für die EU, die in nationalistische Lager zerfallen wird, wenn die Deutschen nicht rechtzeitig gestoppt werden.