Rocko Schamoni hat einen melancholischen Roman geschrieben

Altern als Feind

In seinem jüngsten Roman »Fünf Löcher im Himmel« zeigt sich Rocko Schamoni von einer bislang unbekannten Seite.

Einen ernsthaften Roman schreibt man genauso wie einen komischen. Es geht um Timing und handwerkliche Genauigkeit – man sitzt ja auch nicht zuhause und lacht über seine eigenen Witze«, sagt Rocko Schamoni und gießt sich einen Tee ein. Während er sich in den vier vorangegangenen Romanen auf seine Stärke verließ, Weltschmerz und Übellaunigkeit auf hohem Niveau zu blamieren, bestimmt Melancholie »Fünf Löcher im Himmel«, sein jüngstes Buch. Die Geschichte ist traurig, Ironie sucht man vergeblich.
Paul Zech ist Rentner und steht vor den Trümmern seiner bürgerlichen Existenz. Wie es dazu kommen konnte, weiß Paul auch nicht so genau. Sicher ist nur, dass er sich in einem Datsun 240Z befindet und die Weiten der norddeutschen Tiefebene durchstreift, zusammen mit dem betagten Pocke, einem ehemaligen Kneipier, der vor kurzem seinen Laden dichtmachen musste. Immer wieder blättert Paul Zech in seinem abgegriffenen Tagebuch. Mehr hat er aus seinem alten Leben nicht retten können.
Eigentlich hatte Schamoni gar nicht beabsichtigt, einen so melancholischen Roman zu verfassen. Es habe sich einfach so ergeben, sagt er, und schließlich fehle selbst ihm manchmal der Anlass, etwas Lustiges zu schrei­ben. »Ich wollte dieses Mal auch nicht über mich schreiben und hatte die Idee eines fiktiven Romans. Das war erfrischend«, erklärt er. Womit auch die Frage geklärt wäre, wer für Michael Sonntag, den Protagonisten in »Sternstunden der Bedeutungslosigkeit« und »Tag der geschlossenen Tür«, als Vorlage diente. »Paul ist deutlich von mir abgesetzt, allein durch biographische Details.« Zech hat zum Beispiel eine Knastvergangenheit. »Da war ich bis jetzt noch nicht«, sagt Schamoni grinsend.
Bis Ende Januar ist Rocko Schamoni mit »Fünf Löcher im Himmel« auf Lesetour durch große Städte und kleine Nester. »Die richtige Provinz mache ich derzeit nicht mehr, früher hat mir das weniger ausgemacht«, sagt er. Vor nicht allzu langer Zeit habe er sich von einer romantischen Vorstellung leiten lassen und eine Tournee um den Bodensee gemacht: Konstanz, Dornbirn, Rorschach – allein, mit dem Fahrrad. Die Realität gestaltete sich bitter: »In Rorschach waren dann wirklich nur 13 Leute im Publikum. Das war der vorläufige Endpunkt meiner Provinztätigkeit. Danach habe ich gesagt: jetzt ist erst mal Schluss mit Dorf.« Wenn Schamoni mit seiner Band unterwegs ist, sind schlecht besuchte Veranstaltungen besser zu verkraften. Mit mehreren Leuten könne man sich immer noch gut selbst unterhalten, sagt er. Auf einer Lesetour aber steht man am Ende des Abends allein da.
Tatsächlich habe er schon häufiger darüber nachgedacht, ein Leben fernab des Kunstbetriebs zu führen. »Nicht immer Kunst produzieren zu müssen, kann ich mir schon gut vorstellen. Zumal ich diese permanente Ausbeutung und Selbstausbeutung recht obszön finde. Man kann ja auch gut Kunst für sich selber machen. Aber ein solches Infragestellen ist ja nicht ungewöhnlich und gehört letztlich dazu.«
Was Paul in seine missliche Lage gebracht hat, bleibt lange im Ungewissen. In seinem alten Tagebuch liest er von seiner großen Liebe Katharina Himmelfahrt, in die er sich bei den Proben des Schultheaters verliebte. Auf seiner Reise durch die norddeutsche Provinz taucht er immer wieder in seine Jugendzeit ein und wirft einen abgeklärten, aber zweifelnden Blick zurück. Vielleicht verhilft ihm der Trip ja doch noch zu einem schönen Leben. Jetzt, wo es unter Umständen schon bald vorbei sein könnte.
Wie blickt Schamoni dem Alter entgegen? Kurzes Überlegen. »Ich finde die Alterseffekte extrem unangenehm, ich wünsche das niemandem, leider muss da bekanntlich trotzdem jeder durch. Ich halte es mit Woody Allen und würde es gerne abschaffen, aber da das nicht geht, muss man sich damit anfreunden.« Der Kern des Buddhismus gefalle ihm in dieser Hinsicht, der sei so pragmatisch. »Es ist eine so reine Weltsicht, das Bewusstsein darüber, dass alles vergeht. Freundschaften vergehen, die Materialien, die du in den Händen hältst, das Geld. Und wenn du loslassen kannst, wird dir wahrscheinlich alles ein bisschen einfacher fallen, als wenn du versuchst, es festzuhalten.« Eigentlich sei es schon damals im Punk nicht anders gewesen.
Vergänglichkeit ist eines der großen Themen in »Fünf Löcher im Himmel«. Es geht um Liebe, Loslassen und Schmerz in der Jugend und im Alter, um die Dinge, nach denen man sich sehnte – die aber nie erreichbar waren. Und um Augenblicke, die ganze Lebenswege bestimmen sollten. Die Frage nach dem Alter sei die Frage nach dem Feind, meint Schamoni. »Es wird ja mit den Jahren nicht besser. Dir wird nur immer mehr bewusst, dass es nicht besser wird – das ist ein Problem«, sagt er und lacht.

Rocko Schamoni: Fünf Löcher im Himmel. Piper-Verlag, Köln 2014, 192 Seiten, 16,99 Euro