Anthony Lyamunda im Gespräch über die Proteste gegen den Uranabbau in Tansania

»Langfristig eine gesundheitliche Bedrohung«

Im Juni 2012 wurde einem Teilgebiet des Selous Game Reserve in Tansania von der Unesco der Status als »Weltnaturerbe« wieder entzogen – auf Drängen der tansanischen Regierung, denn in dem Gebiet sollen Bodenschätze erschlossen werden. Die Konzessionen zum Abbau der dortigen Uranvorkommen sind bereits vergeben, die Minengesellschaft zögert aber mit dem Beginn, unter anderem, weil der Preis für Uran gefallen ist. Auch in Bahi, einem Reisanbaugebiet im Zentrum des Landes, wurden größere Uranvorkommen ausgemacht, die Probebohrungen sind abgeschlossen. Es gibt in Tansania jedoch auch Kritik am Uranabbau. Anthony Lyamunda ist Leiter der Organisation Civil Education is the Solution for Poverty and Environmental Management (CESOPE). Er sprach mit der Jungle World über die Schwierigkeiten, den Uranabbau in Tansania aufzuhalten.

Voriges Jahr berichteten Sie in Deutschland über die negativen gesundheitlichen Folgen der Uranexploration im Distrikt Bahi. Was war dort geschehen?
2011 führte das Unternehmen Mantra Resources Probebohrungen in der Region von Bahi und Lukulu durch. Das ist eine landwirtschaftlich genutzte Senke, die im Sommer trocken fällt und in der Regenzeit überflutet ist. Die Bevölkerung lebt hier vom Reisanbau. Bis Ende 2013 wurden die Bohrungen ohne Rücksicht auf die Umwelt vorgenommen und dabei Chemikalien eingesetzt, Behälter und die Bohrkerne einfach liegengelassen. In der Regenzeit konnten sich die Chemikalien durch das Wasser verteilen und vermutlich bis ins Grundwasser gelangen.
Viele Landarbeiter und Bauern bekamen Hautausschläge und Augenreizungen, sobald das Wasser in die Augen gelangte. Wenn man über mehrere Stunden in einem Reisfeld arbeitet, ist der Kontakt nicht vermeidbar. Diese Probleme traten immer dort auf, wo das Unternehmen Bohrungen vorgenommen hatte.
Wie geht es jetzt weiter?
In Bahi und auch im benachbarten Manyoni sind die Probebohrungen abgeschlossen und wir haben keine Ahnung, wann mit dem Abbau von Uran begonnen werden soll. Die Mehrzahl der Firmen, die in Tansania Bohrungen vornehmen, sind kleine Unternehmen. Sie suchen dann nach großen Unternehmen, die das technische Know-how und die finanziellen Ressourcen haben, um den Abbau durchzuführen. Sie selbst werden dann Anteilseigner. So hat es Mantra Resources bereits in Mukuju River im Süden Tansanias gehandhabt und den Firmenanteil zu 100 Prozent an Rosatom verkauft. Rosatom ist in russischer Hand und besitzt ein kleineres Unternehmen namens ARNZ, das wiederum zu 50 Prozent der kanadischen Firma Uranium One gehört, die nun die Mine in Mukuju River betreiben will.
Dieselbe Erfahrung haben wir schon beim Goldabbau gemacht: Meistens sind die kleinen Unternehmen Ableger von großen und können ihre Produkte zu einem sehr geringen Preis an die großen Unternehmen verkaufen. Für die tansanische Regierung bedeutet dies, dass sie keinerlei Steuereinnahmen hat, denn die Steuern sind von der Höhe der Einnahmen abhängig. Das ist eine Strategie der Unternehmen, um Steuerabgaben zu umgehen.
Dennoch hat sich die tansanische Regierung für die Vergabe der Konzessionen entschieden. Aus Mukuju River gibt es ein neues Umweltgutachten, aber kaum jemand erhält Einsicht. Wie sehen die Sicherheitsbestimmungen, Umweltauflagen und Studien über die sozialen Folgen aus?
Derzeit passen die Sicherheitsregeln in eine 28seitige Broschüre. Sie sind sehr simpel und behindern die Unternehmen in keiner Weise. Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sind für die Öffentlichkeit nur schwer einzusehen. In Tansania ist die nationale Behörde für Umweltangelegenheiten für diese Prüfungen zuständig, doch die Ergebnisse sind selten aussagekräftig. Das sieht man zurzeit beim geplanten Farkwa-Staudamm im Zentrum des Landes. Das mit der UVP beauftragte Unternehmen schickte niemanden in die betroffenen Dörfer und hat dennoch einen fertigen Bericht abgeliefert.
Uran ist nicht wie Gold und andere Mineralien, beim Abbau kann radioaktiver Staub weit verteilt werden. Deswegen haben andere Länder spezielle Sicherheitsbestimmungen für den Uranabbau. In Bahi ist der Urangehalt des Gesteins so gering, dass für die Gewinnung von einem Kilo Uran mindestens eine Tonne Gestein abgebaut werden muss. Die Folge sind riesige Abraumhalden. Ein Teil des Urans verbleibt im Abraum, und das wird in Bahi zu einem großen Problem, weil der radioaktive Staub in der baumlosen Ebene weit verweht werden kann. Aufgrund der Überschwemmungen in Bahi geht man außerdem davon aus, dass nicht eine große Tagebaumine, sondern viele kleinere offene Minen über das Gebiet verteilt werden und das Uran an Ort und Stelle ausgewaschen werden soll. Das Uranerz wird dann in eine Fabrik transportiert. Das bedeutet, die Rückstände durch Staub und Auswaschungen würden sehr weit verteilt werden.
Zudem gibt es keinerlei Bestimmungen darüber, was mit einer Mine geschehen soll, wenn der Betrieb eingestellt wird. Die Mine müsste rückgebaut werden, doch niemand in Tansania hat dafür das Geld und die Unternehmen werden nicht verantwortlich gemacht. Somit sind die ökologischen Folgen langfristig eine gesundheitliche Bedrohung.
Eine Studie der Universität Dodoma hat den Gewinn aus der Landwirtschaft in Bahi mit der voraussichtlichen Kosten-Nutzen-Rechnung des Uranabbaus verglichen. Was war das Ergebnis?
Der Studie zufolge liegt der Wert der derzeitigen Einnahmen in Bahi durch Reisanbau, Viehwirtschaft und Fischerei bei umgerechnet 138 Millionen Euro im Jahr. Für den Uranabbau wurde die erwartete Zahl an neuen Arbeitsplätzen berücksichtigt, aber auch Verluste durch Abraumhalden, über deren Ausmaß Angaben des Unternehmens vorlagen. Aufgrund des aktuellen Marktpreises für Uran und unter Berücksichtigung der Steuerabgaben und der Kompensationszahlungen, die an die umliegenden Gemeinden gezahlt werden müssen, errechnete die Studie einen Profit von 44 Millionen Euro für einen Zeitraum von zwölf Jahren. Neben potentiellen Arbeitsplätzen in der Mine wurden auch Einkommen kleinerer Geschäfte einkalkuliert, die um den Minenbetrieb herum entstehen würden. Allerdings hat die Bevölkerung der Region gar nicht die fachliche Kompetenz, um in der Mine zu arbeiten.
Wie wird der hohe Wasserbedarf für den Uranabbau bereitgestellt?
Gegenwärtig ist ein großer Staudamm in Planung, um den Fluss Bubu aufzustauen, die Hauptwasserquelle der Senke. Gerechtfertigt wird der Farkwa-Staudamm mit dem steigenden Wasserbedarf der wachsenden Stadt Dodoma bis 2022. Der Stausee wird sich nach derzeitigen Plänen über 46 Quadratkilometer ausdehnen, die Einwohner von zwei Dörfern müssen komplett umgesiedelt werden. Die Befüllung dauert fünf bis sechs Jahre, und in dieser Zeit soll der Bubu nur ein Fünftel seiner normalen Abflussmenge erhalten. Das bedeutet das Aus für den Reisanbau in Bahi.
Die Regierung weiß, dass sich die Leute nicht einfach für den Uranabbau vertreiben lassen, mit dem Staudammbau und dem damit verbundenen Verlust ihrer landwirtschaftlichen Existenz gehen sie dann aber nach und nach von alleine. Zugleich würde so der Wasserbedarf für die Abbau des Urans bereitgestellt.
Die tansanische Regierung hat in ihrem Fünfjahresplan die Priorität auf die Förderung der Landwirtschaft gelegt. Können lokale Landnutzungsrechte die Regierung von der Vergabe der Konzessionen für den Uranabbau doch noch abbringen?
In der Regierung weiß die linke Hand nicht, was die rechte gerade tut. Als Landrat weiß ich, dass Bahi Tausende von Traktoren und finanzielle Unterstützung zur Förderung des Reisanbaus bekommt – gleichzeitig ist der Uranabbau geplant. Erst vor zwei Jahren wurden erneut große Summen an Steuergeldern in das Bewässerungssystem investiert, schließlich ist Bahi die drittwichtigste Region für die Produktion von Nahrungsmitteln und für die Ernährungssicherheit des Landes.
Landrechtsfragen sind ein großer Streitpunkt. Nationalparks und landwirtschaftliche Flächen unterstehen der Regierung, doch das Gemeindeland untersteht den Dörfern. Gleichwohl besagt das Minengesetz, dass den Gemeinden zwar die Oberfläche gehört, nicht aber, was unter der Erde liegt. Das ist Staatsbesitz. Dieses Gesetz wird genutzt, um Ansprüche auf die Bodenschätze geltend zu machen, die Bewohnerinnen und Bewohner zu vertreiben und Kompensationszahlungen nur danach zu bemessen, was auf dem Boden steht oder wächst, nicht aber für das Land als Grundbesitz. Die Verwalter kommen natürlich während der Trockenzeit, wenn keine Kulturen auf dem Boden wachsen. Da ist dann also nichts, was kompensiert werden könnte. CESOPE will nun in der neuen Verfassung durchsetzen, dass Land als Wirtschaftsgut behandelt wird, damit die Menschen ihren Landbesitz nicht einfach verlieren können.
Wie sieht es derzeit in Mukuju River aus, wann wird der Abbau dort beginnen?
Die Formalitäten sind weitgehend geklärt. Doch man wartet auf steigende Preise für Uran auf dem Weltmarkt, noch ist der Preis niedrig. Bis spätestens 2016 muss mit dem Abbau begonnen werden. Vereinzelt haben die Leute mit dem Schürfen mit Hacke und Spaten angefangen und lagern uranhaltige Erdklumpen zu Hause, in der Hoffnung, einen Abnehmer zu finden. So wie sie es vorher mit Gold gehandhabt haben. In Daressalam hat die Regierung bereits zwei Leute festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt, weil sie mit Uran in der Tasche einen Abnehmer gesucht haben. Daran sieht man, dass es an Bildung und Information fehlt. Auch gibt es Bauern, die glauben, dass ihre Pflanzen vor Schädlingen geschützt werden, wenn sie uranhaltigen Staub unter die Erde mischen.
Ihre Organisation CESOPE sieht Bildung als Lösung für Probleme wie Armut und Umweltzerstörung. Kann man Uranabbau durch Bildung verhindern?
Auch die Regierung und sogar das Unternehmen setzen auf Bildung. Sie versprechen Arbeitsplätze und Reichtum oder behaupten, dass sie das Uran für ein Kraftwerk zur Stromerzeugung benötigten. Die Wahrheit erzählen sie nicht. Doch aus unserer Sicht geschieht das Gegenteil: Die Leute verarmen, und je länger man in Armut lebt, desto weniger kann man die Bedingungen für ein besseres Leben schaffen. Hinzu kommt die zu erwartende ökologische Krise. Wir denken, die Leute haben ein Recht auf Information über die positiven und negativen Folgen, um offen zu diskutieren und abzuwägen, ob sie überhaupt davon profitieren. Und zu diesem Prozess kann Bildung beitragen. Es ist nicht Aufgabe von CESOPE, über den Abbau des Urans zu entscheiden, die Entscheidung liegt bei der lokalen Bevölkerung. Wir wünschen uns verantwortliche Bürgerinnen und Bürger, die über ihre Rechte informiert sind und diese dann selbst einfordern. Ich bin sicher, dass der Uranabbau in Bahi keine Chance haben wird, wenn sie gut informiert sind.