Beileid statt Anerkennung

Am Fuße des Hügels Zizernakaberd kommt die Masse der Trauernden zum Stehen. Es heißt, Sersch Sargsjan, der Präsident Armeniens, und seine Entourage seien gerade oben am Genoziddenkmal, um Kränze niederzulegen und vor den Fernsehkameras öffentlichkeitswirksam zu schweigen. Hunderttausende Armenier aus dem In- und Ausland, die hier in Eriwan jedes Jahr am 24. April der Opfer des Genozids von 1915 gedenken, halten Rosen und gurrende Tauben in ihren Händen. Über ihren Köpfen schwebt eine Kameradrohne, aus Lautsprechern dringen Trauerchöre. Dass die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern durch Truppen des Osmanischen Reichs im Ersten Weltkrieg ungesühnt blieb, veranlasste Nationalisten auch in diesem Jahr wieder, am Vorabend des Gedenktags türkische Fahnen vor der Eriwaner Oper anzuzünden. Dabei hatte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan zuvor in einer Grußbotschaft als erster Ministerpräsident seines Landes der Massenmorde an den Armeniern gedacht. Die Erinnerung an die Schmerzen sei »eine menschliche Pflicht«, sagte er. Am Zizernakaberd ist das für viele nur ein schwacher Trost. Wie die anderen Trauergäste hat auch Davit Polojan seine Rose abgelegt. Erdoğans versöhnliche Worte? »Ich kann das nicht ernst nehmen«, sagt der Politikstudent. »Die Türken sagen, es tut ihnen leid, was passiert ist. Damit meinen sie aber diffus alle Opfer und nicht speziell uns Armenier. Und von Völkermord sprechen sie immer noch nicht.« Das Wort Genozid wird an diesem Tag mantraartig wiederholt. Manche tragen T-Shirts mit dem Aufdruck »Save Kessab«, jene von Armeniern bewohnte Stadt in Syrien, die in diesem Jahr von islamistischen Rebellen attackiert wurde. Es klingt nach Empörung und Resignation, wenn der Libanon-Armenier Sahag Bidinjan, der mit einer Studentengruppe in Eriwan zu Gast ist, sagt: »Was dort passiert, ist nichts anderes als die Fortführung des Völkermords.«