Die Reformen der italienischen Regierung und die Proteste dagegen

Der Klassenprimus will sparen

Die EU-Kommission ist begeistert von der Wirtschaftspolitik des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi. In Rom hingegen kam es am Wochenende zu Protesten linker Gruppen.

Die EU-Kommission bewertet das von Matteo Renzi vorige Woche vorgelegte Wirtschafts- und Steuerprogramm als »sehr gut«. Über die öffentliche Verleihung der Bestnote dürfte sich Italiens Ministerpräsident, der sich sonst in der Rolle des Klassenprimus gefällt, dennoch kaum gefreut haben. Schließlich muss er sich im beginnenden Europawahlkampf gegen eine breite Front von euroskeptischen und rechtspopulistischen Gegnern behaupten. In Umfragen deutet sich nach dem politischen Ausschluss Silvio Berlusconis ein Zweikampf zwischen Renzis Demokratischer Partei und Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung an. Angesichts der aggressiven Anti-EU-Wahlkampftour des ehemaligen Fernsehkomikers bleibt Renzi derzeit nur der Versuch, die Einhaltung der europäischen Sparvorgaben durch die Ankündigung populärer Maßnahmen zu kaschieren.

Bereits ab Mai sollen Angestellte mit weniger als 25 000 Euro Jahreseinkommen dank einer Einkommenssteuersenkung monatlich 80 Euro mehr Gehalt bekommen. Unternehmer dürfen mit einer Absenkung der Gewerbesteuer rechnen. Dass Renzi die Steuerentlastungen durch eine höhere Besteuerung der Banken und eine Erhöhung der Kapitalertragssteuer finanzieren will, kommt bei der Wählerschaft gut an. Auch die Ankündigung, die Gehälter der Topmanager der öffentlichen Unternehmen an die vergleichsweise geringen Bezüge des Staatspräsidenten anzupassen, zielt darauf ab, den Zorn auf »die Oberen« zu besänftigen. Dagegen lässt der am Wochenende angedrohte »gewaltige Kampf gegen die Bürokratie« erahnen, dass die zum Schuldenabbau notwendigen Einsparungen vor allem durch Kürzungen im öffentlichen Dienst finanziert werden sollen. Darüber hinaus werden die von der Vorgängerregierung eingeleiteten Privatisierungen staatlicher Unternehmen fortgesetzt.
Hatte Renzi nach seiner Berufung zum Ministerpräsidenten im Februar noch versprochen, den Stabilitätspakt neu zu verhandeln, verzichtet seine Regierung nun sogar darauf, die von der EU festgelegte Defizitgrenze auszureizen. Die Neuverschuldung soll in diesem Jahr unter drei Prozent liegen. Obwohl das für 2014 prognostizierte Wirtschaftswachstum auf 0,8 Prozent nach unten korrigiert werden musste, enthält das vorgelegte Programm keine konkreten wachstumspolitischen Maßnahmen. Renzi setzt diesbezüglich ganz auf die politischen »Reformen«: Durch eine Umstrukturierung des Justizapparats, die Abschaffung des Senats als zweiter gesetzgebenden Kammer und die Einführung eines neuen Mehrheitswahlrechts soll das Land politisch berechenbarer, effizienter und für ausländische Investoren wieder attraktiv werden. Kritik an dem bereits von früheren Rechtskoalitionen gehegten Plan, die parlamentarische Demokratie in eine Präsidialordnung umzuwandeln, weist Renzi mit der Behauptung zurück, die politische Neuordnung sei Italiens »letzte Chance«, aus der wirtschaftlichen Misere herauszukommen.
Trotz der angeblichen Alternativlosigkeit trafen sich am Wochenende linke Gruppen erstmals zu einer nationalen Demonstration gegen die Arbeits- und Wohnungspolitik. So sollen künftig befristete Arbeitsverhältnisse bis zu 36 Monate bestehen und innerhalb dieser Zeit immer wieder verlängert werden können, zudem soll der Kündigungsschutz für Festangestellte weiter aufgeweicht werden. Gleichzeitig verschärft sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt durch die Privatisierung von Sozialwohnungen und die steigende Zahl von Räumungen.

Eine symbolische Belagerung des Arbeitsministeriums in Rom wurde am Samstag durch einen Knüppel- und Tränengaseinsatz der Polizei aufgelöst. Mehrere Demonstranten wurden verletzt und mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Für Arbeitslose und prekär Beschäftigte, zu denen mehr als 40 Prozent der jungen Erwachsenen zählen, geht es um die Sicherung des Existenzminimums. Sie werden sich weder durch Repression zurückdrängen noch mit Steuergeschenken beschwichtigen lassen.