Über das Urteil gegen Silvio Berlusconi und seine Folgen

Italienische Hundstage

Das Urteil gegen Silvio Berlusconi ist vom italienischen Kassationsgericht bestätigt worden. Über die Konsequenzen kann bisher nur spekuliert werden.

Im August macht Italien Sommerpause, auch wenn die Urlaubstage in diesem Jahr wenig Abwechslung versprechen. Infolge der wirtschaft­lichen Misere müssen sieben von zehn Familien auf eine Auslandsreise verzichten. Und an den heimischen Stränden gibt es nur ein Thema: die erste rechtskräftige Verurteilung von Silvio Berlusconi. Das Kassationsgericht bestätigte vergangene Woche die Urteile der vorausgegangenen Instanzen und verurteilte den ehemaligen Ministerpräsidenten wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft. Drei Jahre werden ihm entsprechend einer von seiner Regierung einst beschlossenen Amnestieregelung erlassen. Aufgrund seines Alters wird er auch das verbleibende Jahr nicht im Gefängnis verbringen müssen. Ob Berlusconi die Reststrafe durch gemeinnützige Arbeit ausgleichen oder muss unter Hausarrest gestellt wird, entscheidet sich erst nach den Gerichtsferien, frühestens im Oktober. Ebenfalls erst nach der Sommerpause wird der Senat über den Entzug seines Parlamentsmandats abstimmen. Der Oberste Gerichtshof hat zwar angeordnet, über die Nebenstrafe, die ein fünfjähriges Amtsverbot vorsah, neu zu verhandeln. Doch aufgrund eines unter dem ­ehemaligen Ministerpräsidenten Mario Monti verabschiedeten Gesetzes ist der Senat ohnehin angehalten, ein Parlamentsmitglied, das wegen Steuerdelikten verurteilt wurde, auszuschließen und ihm für sechs Jahre die Möglichkeit zur erneuten Kandidatur zu entziehen.

Nach der Urteilsverkündung verschanzte sich Berlusconi in seiner römischen Stadtvilla. In einer nächtlichen Videobotschaft aus dem Palazzo Grazioli inszenierte er sich als Opfer einer »unverantwortlichen Richterschaft«, die ihn seit 20 Jahren mit »juristischer Verbissenheit« verfolge. Gleichzeitig versuchte der bald 77jährige noch einmal kämpferisch zu klingen, als er für den Herbst die Wiederbelebung seiner alten Partei »Forza Italia« ankündigte. Doch Berlusconi scheint von­ ­seiner eigenen Drohung, im Herbst Neuwahlen zu provozieren, nicht ganz überzeugt zu sein. Da er selbst nicht mehr kandidieren könnte, aber allein der Name Berlusconi Italiens Rechte vereinen kann, müsste seine Tochter Marina sein politisches Erbe antreten. Eine am Sonntag in Rom organisierte Solidaritätskundgebung sollte beide zu diesem neuen politischen Angriff ermutigen. Doch auch innerhalb von Berlusconis derzeitiger Partei »Popolo della Liberta« (PdL) ist die Forderung umstritten, die Große Koalition, an der sie beteiligt ist, platzen zu lassen, sollte Staatspräsident Giorgio Napolitano den PdL-Vorsitzenden nicht umgehend begnadigen. Die versuchte Erpressung hat sowieso keine Aussicht auf Erfolg. Da die rechtlichen Grundlagen für eine Begnadigung nicht gegeben sind, wurde ein solches ­Ansinnen von Napolitano bereits vor der Urteilsverkündung als »institutionelles Analphabetentum« zurückgewiesen.
Ministerpräsident Enrico Letta wiederholt beharrlich, das Urteil müsse respektiert und die Stabilität der Regierung gewährleistet werden. Die beiden Forderungen sind für seine eigene Partei kaum noch vereinbar. Der Partito Democratico (PD) ist zwar bis zur Handlungsunfähigkeit zerstritten, Einigkeit herrscht aber darüber, dass eine Fortsetzung der großen Koalition mit dem PdL der Wählerschaft nicht mehr vermittelbar ist.

Dennoch wollen die Demokraten, solange kein neues Wahlgesetz verabschiedet ist, das in beiden Parlamentskammern klare Mehrheitsverhältnisse garantiert, Neuwahlen unbedingt vermeiden. Sie spekulieren darauf, dass Letta im Herbst mit wechselnden Mehrheiten im Senat weiterregieren kann, wenigstens, um endlich ein neues Wahl­gesetz auszuarbeiten. Dazu müsste es allerdings zu einer Zusammenarbeit zwischen dem PD und Beppe Grillos Movimento 5 Stelle (M5S) kommen. Meldungen, wonach der M5S unter bestimmten Bedingungen zur Bildung einer Übergangsregierung bereit wäre, wurden jedoch umgehend ­dementiert. Alle Prognosen, wie es nach den Hundstagen in Italien weitergeht, haben derzeit die Beständigkeit einer Sandburg am Meer.