Über »Fracking« in Deutschland

Bier statt Gas

In den USA wird in großen Mengen Erdgas aus Schiefergestein gefördert. Das als Fracking bezeichnete Verfahren soll auch in Deutschland zum Einsatz kommen. Die Bundesregierung hat deshalb einen Gesetzentwurf vorgelegt. Sein Scheitern im Bundesrat ist jedoch absehbar.

Eine bedeutende Lobby hat ihre Ablehnung des Fracking bekundet: In der vergangenen Woche schickte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbunds, Peter Hahn, ein Schreiben an sechs Bundesminister. Um Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot herstellen zu können, sei die Brauwirtschaft auf »eine sichere Versorgung mit qua­litativ einwandfreiem Trinkwasser angewiesen«, heißt es in dem Brief. »Durch die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten wie Kohleflözen oder Schiefergas, insbesondere mittels des sogenannten ›Fracking‹-Verfahrens, kann diese Sicherheit eingeschränkt oder gar beseitigt werden«, warnen die Bierbrauer.
Ähnlich sieht es der Verband Deutscher Mineralbrunnen. Er kritisierte in der vergangenen Woche in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten die Pläne der Bundesregierung zum Fracking: »Wir haben nicht den Eindruck, dass das, was da beschlossen werden soll, hinreichend durchdacht und geprüft ist.« Nach Einschätzung des Verbands könnte sich das Fracking zu einer »existenzbedrohenden Gefahr für Mineralbrunnen« entwickeln.

Beim Fracking wird eine giftige Mischung aus Chemikalien, Sand und Wasser verwendet, um Schiefergestein aufzubrechen. Durch Bohrungen kann das dabei freigesetzte Methan erschlossen und an die Oberfläche geleitet werden. Die Methode ist allerdings mit vielfältigen Umweltgefahren verbunden. So können sowohl das aufsteigende Methan selbst als auch die Chemikalien das Grundwasser vergiften, weil beim Anbohren des gashaltigen Gesteins immer auch Grundwasserschichten durchstoßen werden. Zusammen mit dem Gas gelangen auch Giftstoffe wie radioaktive Salze oder krebserregendes Benzol an die Erdoberfläche, die Grundwasser und Böden verseuchen können.
Die Verknappung der Ressourcen, die der totale Zugriff des Kapitals auf die natürlichen Grundlagen der Produktion bewirkt, bringt solche absurden technologischen Neuerungen mit sich. Sobald Ressourcen ein bestimmtes Preisniveau erreichen, spornen die Vorstände von Unternehmen den Erfindungsgeist ihrer Entwicklungsabteilungen an, um bisher ungenutzte Ressourcen zu erschließen. In den USA hat sich in den vergangenen Jahren das Fracking zu einer für die US-Ökonomie bedeutenden Fördermethode für Erdgas entwickelt (Jungle World 8/13). Da die Methode dort bereits seit mehr als einer Dekade angewandt wird, ist das Land vom Gasimporteur zum -exporteur geworden und hat dabei sogar Russland als größten Gasproduzenten der Welt abgelöst.
Der Boom des Fracking hat den Gaspreis in den USA seit 2008 von 13 auf lächerliche 2,5 US-Dollar je Maßeinheit MMBTU sinken lassen. Die Förderung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten, wie Fracking und ähnliche Methoden in den offiziellen Statistiken genannt werden, hat inzwischen einen Anteil von etwa 40 Prozent an der Gasproduktion in den USA erreicht. Bis 2035 soll dieser Anteil auf Wunsch von Industrie und Politik auf etwa drei Viertel des angebotenen Gases steigen.
Ob sich der Boom allerdings in der bisherigen Geschwindigkeit fortsetzt, ist wegen des stark gefallenen Gaspreises fraglich. Eine Möglichkeit, um wieder höhere Preise mit dem durch Fracking gewonnenen Gas zu erzielen, ist der Ausbau von entsprechenden Terminals in US-Häfen, um es in flüssiger Form zu verschiffen. Sollte diese Vorgehensweise erfolgreich sein, könnten bald auch in Mitteleuropa, wo die Hauptlieferanten bisher Russland, Algerien und Katar waren, die Gaspreise sinken. Derzeit liegt der Gaspreis in Mitteleuropa mit zehn bis 14 Dollar je MMBTU um ein Vielfaches über dem Preis in den USA.
Angesichts der Entwicklung in den USA überrascht es aus ökonomischer Sicht nicht, dass sich auch in Europa stark energieabhängige Indus­triezweige sowie die Öl- und Gasindustrie selbst zu Wort melden, um sich für den Einsatz von Fracking auszusprechen. Auch das geostrategische Argument, sich von Importen russischen Gases weniger abhängig zu machen, wird häufig angeführt. In Europa hat Polen die größten Reserven unkonventionell gewinnbaren Gases, gefolgt von Frankreich und der Ukraine. In Frankreich wurde das Fracking allerdings vorerst verboten.
Mit dem Gas aus deutschen Lagerstätten ließe sich der derzeitige landesweite Verbrauch nach Berechnungen des Umweltbundesamtes etwa 13 Jahre lang decken. Dies weckt selbstverständlich Begehrlichkeiten. So zeigte sich beispielsweise BASF, wohl angesichts der Aussicht auf den Verkauf der eingesetzten Chemikalien, sehr in­teressiert an der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Fracking in Deutschland. Dies gilt auch für den Gashersteller Linde, der derzeit schon die Chemikalien für eine Vielzahl der Fracking-Anlagen in den USA liefert. Bisher macht dieses Geschäft allerdings nur einen geringen Teil des Umsatzes von Linde aus.
Über die gesetzliche Grundlage für das Fracking in Deutschland diskutieren die Parteien schon seit längerer Zeit. Nun hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf einem früheren Entwurf des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums beruht. Neben einer Umweltverträglichkeitsprüfung und einem klaren Verbot des Fracking in Wasserschutzgebieten soll das Einvernehmen mit den Wasserbehörden die Voraussetzung für den Beginn von Bohrungen sein. Rund um den Bodensee soll Fracking ausgeschlossen werden. Auch wurde im Entwurf der Umgang mit den für Fracking verwendeten Flüssigkeiten genauer geregelt.
Derzeit kann allerdings nahezu ausgeschlossen werden, dass der Entwurf der Bundesregierung Gesetzeskraft erlangen wird. Denn insbesondere auf Landesebene zeichnet sich eine Ablehnung ab. Da der Gesetzentwurf viele Regelungen zum Wasserrecht enthält, ist die Zustimmung des Bundesrats notwendig. Sie ist derzeit nicht zu erwarten, insbesondere nicht seitens der SPD und Grünen regierten Ländern.

So hat der Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel (Grüne), bereits zuge­sichert, dass sein Bundesland dem Gesetz nicht zustimmen wird. Auch von der grün-roten Regierung in Baden-Württemberg wird es abgelehnt. »Solange es Unklarheit über die Auswirkungen des ›Fracking‹ gibt, muss es flächendeckend verboten bleiben«, sagte ein Sprecher des Umweltressorts in Stuttgart in der vergangenen Woche dem Handelsblatt. Selbst der bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) spricht sich gegen das Gesetz aus: »Fracking versucht, unkonven­tionelle Gasvorhaben durch das Einbringen chemischer Substanzen zu erschließen. Das ist für uns nicht verantwortbar.« Diese Technik berge nämlich erhebliche Risiken für Umwelt und Gesundheit, so der Minister. Die bayerischen Bierbrauer wird es freuen.