Über das Urteil des portugiesischen Verfassungsgerichts zu den Sparmaßnahmen

Eher schlecht als Recht

Bei den Bemühungen, Sparmaßnahmen durchzusetzen, stoßen Regierungen und EU-Bürokratie auf einen unerwarteten Gegner: die Justiz.

Richter haben bei der Linken keinen sonderlich guten Ruf, meist gelten sie zusammen mit Polizisten als Inbegriff des repressiven Staates. Nicht immer zu Unrecht, doch wenn die linken Protestbewegungen schwach sind, die bürgerliche Demokratie aber ganz anderen Kräften, nämlich Insti­tutionen der Exekutive, lästig wird, zeigt sich, dass die Gewaltenteilung keine so schlechte Idee ist und die Justiz dem Marsch in den autoritären Staat im Weg steht. Dann sind es Regierungspolitiker, die sich über die Richter beklagen, über deren Urteile nörgeln oder sie schlicht ignorieren und nach Wegen suchen, gegen geltendes Recht ihre Ziele durchzusetzen.
Die Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro bewegten sich von Anfang an am Rande der Legalität, nun geraten nationale Regierungen und EU-Institutionen in einen offenen Konflikt mit der Justiz. Am Freitag vergangener Woche erklärte das portugiesische Verfassungsgericht einige von der Regierung beschlossene Sparmaßnahmen, unter anderem Kürzungen der Gehälter für Staatsangestellte und der Renten sowie die Erhebung von Abgaben auf Erwerbslosenhilfe und Krankengeld, für verfassungswidrig. »Die Gesetze müssen mit der Verfassung übereinstimmen, nicht umgekehrt«, sagte Joaquim Sousa Ribeiro, der Vorsitzende des Gerichts, das bereits den Haushalt des Vorjahres für teilweise unzulässig befunden hatte.
Dass ein Verfassungsgericht erneut die von Deutschland und der EU-Bürokratie vorgegebenen Kürzungen für illegal erklärt hat, gibt offenbar keinem der Verantwortlichen zu denken. Nun müssen die Portugiesen halt sehen, wie sie die fehlenden 1,3 Milliarden Euro eintreiben, und zwar dalli – so lassen sich die Reaktionen des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble und der Europäischen Kommission zusammenfassen.
Die Rechtslage in Portugal ist für Klagen gegen Sparmaßnahmen günstig, da die aus der »Nelkenrevolution« von 1974 hervorgegangene Verfassung trotz späterer Änderungen noch immer viele soziale Rechte garantiert. Doch ob staatliche Eingriffe in Arbeitsverträge und andere dubiose Maßnahmen, mit denen Geld von Lohnabhängigen eingetrieben wird, legal sind, ist auch in anderen Ländern fraglich. So erklärte es das Oberste Gericht Griechenlands für unzulässig, eine Sondersteuer mit der Stromrechnung zu erheben und bei Zahlungsverweigerung oder -unfähigkeit die Elekrizitätsversorgung zu kappen, ließ allerdings der Regierung eine Frist. Rücksicht auf »nationale Interessen« nehmen meist auch die Richter.
Die Justiz bremst den Trend zum Regieren per Dekret, konsequent die Interessen der Lohnabhängigen zu vertreten, kann man von ihr jedoch nicht erwarten, da das bürgerliche Recht dies nicht zulässt. Wenn einem Unternehmen für eine Dienstleistung 20 oder 30 Prozent weniger als die vertraglich vereinbarte Summe gezahlt wird, kann es den fehlenden Betrag einklagen. Lohnabhängige haben es da schwerer, wenn der Staat eine Änderung ihrer Arbeitsverträge anordnet und ihre Gehälter gekürzt werden. Gegen eine solche Enteignung hilft nur Widerstand, und dann gibt es auch wieder gute Gründe, über die Justiz zu schimpfen.